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Das Buch Von Ascalon: Historischer Roman

Das Buch Von Ascalon: Historischer Roman

Titel: Das Buch Von Ascalon: Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Peinkofer
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lassen und den Gegner zu ermüden. Statt nur einen scheinbaren Rückzug vorzutragen und dann überraschend anzugreifen, hatten sie ihr Heil in der Flucht gesucht. Lediglich Suqman von Diyarbakir und Janah al-Dawla von Homs hatten ihre Stellungen im Norden und Westen der Stadt gehalten und auch dann noch tapfer gefochten, als andere den Kampf längst verlorengegeben hatten, allen voran Duqaq. Nicht die Unerschrockenheit der Kreuzfahrer, die nichts zu verlieren gehabt und mit dem Mut des Verzweifelten gekämpft hatten, hatte am Ende über Sieg und Niederlage entschieden, sondern der Egoismus der muslimischen Fürsten, die ihr eigenes Wohl über das des Reiches gestellt hatten.
    Die Erkenntnis war ernüchternd – so sehr, dass Bahram Duqaq die Gefolgschaft verweigerte hatte. Zusammen mit einer Abteilung ghulam hatte er erbittert weitergekämpft, während der Fürst von Damaskus abgezogen war, flankiert von seinen vertrauten Offizieren und den Fußkämpfern der ajnad , die ohnehin nur zögernd bereit gewesen waren, fern ihrer Hei m at einen Kampf für fremde Machthaber zu fechten. Dass die Bedrohung durch die Kreuzfahrer nicht nur Einzelne anging und man ihr nur begegnen konnte, indem man fest zusammenstand, hatte Duqaq nicht begriffen, und Bahram wusste nicht zu sagen, welche Wunde ihm größeren Schmerz bereitete – jene, die die Speerspitze hinterlassen hatte, oder die bittere Enttäuschung über die Niederlage und das ehrlose Verhalten seines Fürsten.
    Über Jahrzehnte hinweg hatte er den Machthabern von Damaskus treu gedient, zumal er ihnen viel zu verdanken hatte. Duqaqs Verhalten jedoch machte es ihm unmöglich, nach Hause zurückzukehren. Zum einen, weil der Fürst fraglos nach einem Schuldigen für den Fehlschlag suchen und nicht lange brauchen würde, um ihn in seinem armenischen Unterführer auszumachen, dem Christen, dem er vertraut und der ihn verraten hatte; zum anderen, weil Bahram es nicht länger ertragen hätte, unter dem Banner eines Potentaten zu kämpfen, der seine Pflichten so sträflich missachtete.
    Bahram wollte kämpfen, wollte den Widerstand gegen die Eindringlinge fortsetzen, aber ihm war bewusst, dass er das nicht in Damaskus tun konnte. Sein Ziel war Acre weit im Süden, wo viele Armenier, auch solche christlichen Glaubens, unter dem Banner des Kalifen von Kairo fochten. Seinem Heer wollte sich Bahram anschließen – Duqaq würde vermutlich glauben, dass er im Kampf gefallen sei, schließlich gab es Zeugen dafür, dass eine Speerspitze ihn ereilt hatte. Bahram war also frei – vorausgesetzt, er kehrte niemals nach Damaskus zurück.
    Mit zusammengebissenen Zähnen betrachtete er die Wunde, die er mit einem Streifen seiner Tunika notdürftig verbunden hatte. Die Blutung hatte aufgehört, aber der pochende Schmerz erinnerte Bahram fortwährend an die Niederlage.
    Selten zuvor hatte der Armenier einen Feind mit derartiger Verbissenheit kämpfen sehen. Der Fund der Heiligen Lanze, so schien es, hatte den Kreuzfahrern übermenschliche Kräfte verliehen. Womöglich, sagte sich Bahram, war Gott tatsäch l ich auf ihrer Seite gewesen, als sie an jenem Morgen in die Schlacht zogen. Die Vorstellung, dass ihr Glaube auch der seine war, hatte etwas Befremdliches und zugleich etwas, das ihn ängstigte. Denn was hatte das Morgenland, das doch an seiner Ichsucht krankte und zersplittert war bis ins Mark, jenen Kriegern entgegenzusetzen, die sich von Gott auserwählt wähnten und es womöglich auch waren?
    Bahram blickte zum funkelnden Himmel, einmal mehr auf der Suche nach Antwort – und er erstarrte, als er den Mond gewahrte. Denn es war nicht nur einfach eine helle Scheibe, die dort am Firmament stand, sondern ein riesiges Zeichen, ein Ornament, bestehend aus vier Viertelkreisen in Form von Labyrinthen, die sich zu einem Kreis ergänzten und in der Mitte ein Kreuz bildeten.

    Bestürzung erfasste Bahram, dann erst begriff er, dass jener Schlaf, in den er vor Erschöpfung gefallen war, ihn noch immer nicht ganz entlassen hatte.
    Er erwachte abermals, allein am Feuer in der Einsamkeit der nächtlichen Steppe.
    Das Zeichen am Himmel jedoch war verschwunden.
    Antiochia
Mitte Juli 1098
    Der Gestank war unerträglich.
    Schweiß, Urin, Eiter und geronnenes Blut – all das vermischte sich zu einer Übelkeit erregenden Mixtur, die Conns M agen rebellieren ließ. Von Grauen geschüttelt sah er zu, wie ein in der Heilkunde beschlagener Cluniazensermönch einem lothringischen Knappen die eitrigen Narben

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