Das Buch Von Ascalon: Historischer Roman
vierzig.
»W as kann ich für Euch tun, Herr?«, fragte Conn vorsichtig. Seine Vernunft sagte ihm, dass es nichts Gutes zu bedeuten hatte, wenn sich der päpstliche Legat nach ihm erkundigte. Hatte es womöglich mit den de Reins zu tun? Mit der Verschwörung, von der er Kenntnis erlangt hatte?
Der Bischof schnupperte und warf einen missbilligenden Blick in Richtung der Leichen, die sich am Boden aneinanderreihten und darauf warteten, aus der Stadt gebracht und begraben zu werden. »Lass uns einen anderen Ort aufsuchen, Sohn, denn dieser ist weder meiner noch deiner würdig.«
Damit schlug er die Kapuze wieder hoch und schloss den Mantel vor der Brust, so als wünschte er, nicht erkannt zu werden. Dann wandte er sich um und verließ die Kammer. Conn blieb nichts anderes übrig, als ihm zu folgen. Zu seiner Ü berraschung wartete Berengar vor dem Eingang, den Conn schon seit geraumer Zeit nicht mehr gesehen hatte. Der Benediktinermönch verbeugte sich tief, als der Bischof sich näherte, und schloss sich ihnen dann wortlos an. Der Blick, den er Conn dabei sandte, war unmöglich zu deuten.
Sie verließen das Badehaus und überquerten den Vorhof, suchten einen der Lagerräume auf, die die Innenseite der Ummauerung säumten. Kaum hatten sie die Kammer betreten, schloss Berengar die Tür und stellte sich einem Wächter gleich davor. Bischof Adhémar wies Conn an, sich auf eine leere Kiste zu setzen, während er selbst auf und ab schritt.
»Ich bedaure«, erklärte er mit Blick auf die schäbigen Wände und das Stroh am Boden, »dass diese Unterredung nicht unter weniger ärmlichen Bedingungen stattfinden kann, jedoch muss ich fürchten, dass die Wände meines Hauses in diesen Tagen Ohren haben. Aber lehrt uns unser Glaube nicht, dass sich die größten Ereignisse der Geschichte stets an schlichten Orten zu ereignen pflegen?«
Conns verblüffte Blicke pendelten zwischen dem Bischof und Berengar hin und her. Weder verstand er die Anspielung noch hatte er eine Ahnung, worauf der päpstliche Gesandte hinauswollte. Hatte er sich etwas zuschulden kommen lassen? Und was hatte der Mönch damit zu tun?
»Herr«, sagte er deshalb, »bitte verzeiht, aber ich bin nur ein einfacher Mann und …«
»Conwulf«, fiel Adhémar ihm ins Wort, »ich mache dich darauf aufmerksam, dass nichts von dem, was hier gesprochen wird, diesen Ort verlassen darf. Willst du das feierlich bezeugen, in Christi Namen und bei deinem Leben?«
»Ja«, erwiderte Conn, der ohnehin nicht wusste, was er sonst hätte antworten sollen. Was sollte die Geheimniskrämerei? Was mochte einen Gesandten des Papstes dazu bewegen, seine Gesellschaft zu suchen, noch dazu zur Unkenntlichkeit vermummt?
»W as weißt du über das Buch von Ascalon?«, fragte der B ischof so unvermittelt, dass es Conn für einen Moment die Sprache verschlug. Ein wenig hilflos schaute er in Berengars Richtung, worauf der Mönch ihm ermunternd zunickte.
»Es ist gut, Conwulf. Du kannst dem Bischof vertrauen.«
Conn zögerte dennoch. Chaya und ihr Vater hatten das Buch mit ihrem Leben gehütet, folglich kam es ihm falsch vor, in aller Offenheit darüber zu sprechen. Andererseits schien der Bischof bereits davon zu wissen, aus welcher Quelle auch immer.
»Es ist eine Schriftrolle«, brach Conn schließlich sein Schweigen, »die ein jüdischer Kaufmann bei sich trug. Aber soweit ich weiß, ist sie spurlos verschwunden.«
»Nicht ganz«, widersprach Adhémar mit einem bedeutsamen Blick in Berengars Richtung.
»W as soll das heißen?«
»Das soll heißen, Conwulf, dass sich das Buch in meinem Besitz befindet und dass ich die letzten Wochen und Monate damit zugebracht habe, es zu übersetzen.« Berengars Miene war unbewegt.
»Es zu übersetzen?« Conns Überraschung war so groß, dass er ganz vergaß, sich zu fragen, wie Berengar in den Besitz der Schrift gelangt sein mochte. »Und was steht darin geschrieben?«
Bischof Adhémar übernahm es, zu antworten. »Im Wesentlichen und für das Auge desjenigen Lesers, der nur das Offenkundige zu sehen vermag, handelt es sich um eine Sammlung von Berichten, die bis in die Tage des weisen König Salomon zurückgehen. Unserer Vermutung nach hat eine Hofdame Salomons sie verfasst und berichtet darin vom Besuch der Herrscherin von Saba am königlichen Hof in Jerusalem – und von einem Geschenk, das sie Königin Salomon machte. Die Rede ist von zwei Figuren aus purem Gold, Cherubim mit nach vorn gestreckten Flügeln.«
»Cherubim?«, fragte Conn, der
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