Das Buch Von Ascalon: Historischer Roman
nur jedes zweite Wort verstand.
» Engelsgleiche Wesen«, übersetzte Berengar in eine verständlichere Sprache. »V on Belang jedoch ist nicht so sehr die Herkunft der Figuren als vielmehr ihre Bestimmung: die Heilige Lade zu bewachen, die tief im Inneren von Salomons Tempel ruhte.«
»Die Lade«, echote Conn verständnislos.
»Hast du noch nie von der Lade des Bundes gehört, Sohn?«, erkundigte sich Bischof Adhémar verwundert. »V on der Truhe, in die die Hebräer die Steintafeln mit den Gesetzen des Mose legten, um sie auf ihrer langen Wanderschaft durch die Wüste zu bewahren?«
»Ihr meint die Zehn Gebote«, folgerte Conn aus dem Wenigen, das er gelegentlich aus den Reden der Straßenprediger aufgeschnappt hatte.
»In der Tat. Als Mose vom Berg Horeb stieg und dem Volk Israel die Gesetzestafeln brachte, ließ er einen Mann namens Bezalel eine Truhe aus Akazienholz anfertigen, das mit Gold überzogen wurde. Dort hinein legte er die Tafeln, die Gottes Bund mit dem Volk Israel besiegelten, und dort verblieben sie während der vierzigjährigen Wanderschaft durch die Wüste, bis sie schließlich im Gelobten Land eine neue Heimat fanden. Unter der Herrschaft König Davids wurde die Lade nach Jerusalem gebracht, unter Salomon wurde ihr ein neuer Tempel errichtet, in dem sie fortan ruhte.«
Conn spürte, wie seine innere Unruhe wuchs. Er ahnte, dass er kurz davor war, das Geheimnis des Buches von Ascalon zu erfahren, aber er war sich nicht sicher, ob er es wirklich wissen wollte.
»W as weiter geschah, ist nicht bekannt. Als die Babylonier unter ihrem König Nebukadnezar Jerusalem eroberten, plünderten sie den Tempel Salomons, und die Lade ging verloren. Über viele Jahrhunderte war ihr Schicksal ungewiss – unser getreuer Bruder Berengar jedoch«, wandte sich Adhémar mit vor Begeisterung bebender Stimme an den Mönch, »glaubt, neue Antworten gefunden zu haben.«
» W as für Antworten?« Conn schaute Berengar fragend an.
»Als ich das Buch von Ascalon übersetzte, fielen mir die vielen Rätsel auf, die in den Text eingestreut sind – kabbalistische Zahlenspiele, die allesamt auf das Alte Testament verwiesen, auf das Buch Exodus und das Buch Samuel, aber auch auf das Buch der Könige. Oberflächlich betrachtet, erzählt das Buch die Geschichte der Bundeslade, und zwar weit über die babylonische Gefangenschaft hinaus. Von genauen Orten und Begebenheiten ist die Rede, Namen und Jahreszahlen werden genannt, und ich erkannte, dass die Verfasser des Buches die Lade gesehen haben und dass sie den Sturm der Babylonier überdauert haben musste. All das erklärte allerdings noch nicht, weshalb es all diese Rätsel gab und warum Chaya und ihr Vater so versessen darauf gewesen waren, die Schriftrolle unter Einsatz ihres Lebens zu hüten – doch schließlich wurde es mir klar.«
»W as wurde Euch klar?«, hakte Conn argwöhnisch nach.
»Dass die Heilige Bundeslade noch immer existiert und dass das Buch von Ascalon erklärt, wo und wie sie zu finden ist«, eröffnete der Mönch feierlich und zu Adhémars sichtlichem Entzücken.
»Und wir«, fügte der Bischof entschlossen hinzu, »müssen diese kostbare Reliquie in unseren Besitz bringen.«
»W arum?«, fragte Conn.
»Diese Frage würdest du nicht stellen, wenn du wüsstest, was im Buch von Ascalon geschrieben steht«, antwortete Berengar an des Bischofs Stelle. »Dort heißt es, dass in Zeiten der Not die Lade gefunden werden und wie in alter Zeit der Sanhedrin, der Große Rat der Juden, zusammentreten soll. Dann wird der Tempel Salomons neu errichtet und Jerusalem stark werden wie einst – und wenn das geschieht, ist unsere heilige Unternehmung, die doch zum Ziel hat, die Geburtsstätte unseres Glaubens von Heiden zu reinigen, unwiderruflich gescheitert.«
Conn nickte. Jäh verstand er, weshalb das Buch Chayas Va t er so wichtig gewesen war, dass er sein Leben dafür geopfert hatte – es ging dabei um die Zukunft seines Volkes.
»Ob auch Chaya davon gewusst hat?«, überlegte er.
»Natürlich«, war Berengar überzeugt. »W eißt du noch, als ich dich fragte, ob du dir bezüglich der Jüdin ganz sicher seist? Mir war schon damals klar, dass sie dich hinterging.«
Conn fühlte einen Stich im Herzen, als er sich an das Gespräch erinnerte und an die unbeschwerten Tage, die sie auf dem Weg nach Antiochia genossen hatten – bis zu jenem Morgen, an dem Chaya …
»Ihr wart es«, rief Conn. »Ihr und niemand sonst habt das Buch gestohlen!«
»Ich
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