Das Buch Von Ascalon: Historischer Roman
führen und ihm die freie Wahl darüber lassen, was er daraufhin unternehmen wird.«
» Er wird uns vernichten«, war Guillaume überzeugt.
»Kaum. Denn in diesem Fall würde die Bruderschaft dafür sorgen, dass die Kunde von Rufus’ schmählichem Verrat überall in Frankreich verbreitet wird, und das würde nicht nur das Ende seiner Herrschaftsansprüche besiegeln, sondern auch sein eigenes. Um Schaden von sich abzuhalten, wird Rufus sich also fügen, seiner schwachen Natur entsprechend – und mit Hilfe der Bruderschaft wirst du es sein, der die Herrschaft in den Händen hält.«
»Das ist dein Plan?« Guillaume starrte seine Mutter ungläubig an.
»Es ist nicht nur ein Plan, Guillaume. Vieles, was du getan hast, seit wir England verlassen haben – dein Beitritt zur Bruderschaft, deine Freundschaft zu Eustace und dein damit verbundener Aufstieg –, diente nur dazu, dich auf dieses Vorhaben vorzubereiten. Rufus wird zur bloßen Gestalt verblassen, zu einer Hülle ohne Inhalt, seines Namens nicht mehr wert, und der Adel wird sich von ihm ebenso abwenden wie von seinem Bruder Henry. Und just zu diesem Zeitpunkt, Guillaume, wirst du als strahlender Sieger nach London zurückkehren, ein Held von Jerusalem, in deinen Händen die Heilige Lanze. Wem, glaubst du, wird der Adel wohl in der allgemeinen Begeisterung Treue schwören?«
Guillaume starrte seine Mutter an, die es einmal mehr geschafft hatte, ihn zu überraschen. Trotz der rosigen Zukunft, die sie ihm in Aussicht stellte, blieben jedoch auch Zweifel bestehen. »Ihr seid wunderbar, aber solange die Fürsten sich darüber streiten, wer von ihnen Herrscher über Antiochia werden soll, werden sie den Feldzug nicht fortsetzen. Und was die Lanze betrifft, so ist der Bischof von Le Puy alles andere als überzeugt von ihrer Echtheit – und er ist immerhin der päpstliche Gesandte.«
»W as die Zweifel des widerspenstigen Adhémar angeht, so mach dir keine Sorgen. Ich kenne seine Schwächen gut genug. Nutze die Zeit weiter, um das Umland zu plündern und un s ere leeren Kassen aufzufüllen, denn wenn wir nach England zurückzukehren, werden wir entsprechende Mittel brauchen. Sobald wir uns genügend bereichert haben, werden wir uns erneut Bartholomaios’ bedienen, um die Fürsten dazu zu veranlassen, nach Jerusalem zu ziehen.«
»V orausgesetzt, Eustace gestattet es«, wandte Guillaume ein. »Obschon er nur noch ein Schatten seiner selbst ist, steht seine erbärmliche Rechtschaffenheit unseren Plänen im Weg. Ich hätte ihn erstechen sollen, als ich die Gelegenheit dazu hatte.«
»Das ist nicht nötig«, versicherte Eleanor, während sie ihre dürren Arme um ihn wand und ihn an sich zog. Sie kannte ihren Sohn gut genug, um sich darüber klar zu sein, dass er nicht nur ihr berechnendes Wesen, sondern auch die Hitzköpfigkeit seines Vaters geerbt hatte.
»Sei unbesorgt, Guillaume«, hauchte sie ihm beruhigend ins Ohr, »ich werde mich um alles kümmern.«
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12.
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Antiochia
Ende Juli 1098
»Nun? Wie hast du dich entschieden?«
Diesmal waren sie nicht in einem Lagerhaus zusammengekommen, jedoch war die Örtlichkeit nicht weniger schäbig. Es war der Keller, den Berengar zu seinem Quartier erkoren und in dem er das Buch von Ascalon übersetzt hatte. Einige Folianten lagen auf dem behelfsmäßigen Tisch, dazu Pergamente, die mit Notizen beschrieben waren. Die Schriftrolle jedoch war nirgendwo zu entdecken, Conn nahm an, dass sie der Mönch an einem sicheren Ort verwahrte.
Vier Tage Bedenkzeit hatte der Bischof von Le Puy ihm gegeben, und Conn hatte sie bis zur Neige ausgenutzt. Keine Stunde war vergangen, da er nicht über den Inhalt des Buches und jene eigenartige Verkettung von Ereignissen nachgedacht hatte, die ihn, einen angelsächsischen Dieb, zum Ritter der Kirche werden lassen sollte. Anderseits war ihm irgendwann aufgegangen, dass ein Dieb wohl genau das war, was Bischof Adhémar brauchte.
Die Sache gefiel Conn noch immer nicht. Gewiss, es war bitter zu erfahren, dass Chaya von all diesen Dingen gewusst hatte, ohne ihm auch nur ein Sterbenswort darüber zu sagen, und natürlich behagte ihm der Gedanke, sich endlich an Guillaume de Rein zu rächen. Dennoch kam es ihm falsch vor, nach der Lade zu suchen und sie für die Kirche in Besitz z u nehmen. Der Schrein des Bundes gehörte Chaya und ihren Leuten, und ganz gleich, wie sehr Conn versuchte, Notwendigkeit gegen Unrecht abzuwägen, sein schlechtes Gewissen wurde dadurch nicht besser.
Von Herzen
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