Das Buch Von Ascalon: Historischer Roman
öffnete seine linke Hand, auf der ein silbernes Medaillon lag. Es war nur wenig größer als eine Münze, jedoch kunstvoll ziseliert. Ein sich aus vier Viertelkreisen zusammensetzendes Labyrinth war darauf zu erkennen, das in seiner Mitte ein Kreuz formte.
»W as ist das?«, wollte Conn wissen.
»Das Zeichen jener, die verborgen im Dienste Petri fechten.«
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13.
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Antiochia
1. August 1098
Das Feuer in der Esse war fast heruntergebrannt.
Funken stoben auf und verloschen, während Conn gedankenverloren in der Glut stocherte.
Vor zwei Tagen waren Baldric und Bertrand aus Acre zurückgekehrt. Sie hatten Chaya und das Kind sicher zu ihren Leuten gebracht, und auch die Rückreise war ohne Zwischenfälle verlaufen. Eigentlich hätte Conn erleichtert sein müssen, doch die Gedanken und Gefühle, die die Rückkehr seines Adoptivvaters bei ihm ausgelöst hatte, waren voller Widersprüche.
Während ein Teil von ihm Chaya noch immer aufrichtig liebte, wollte ein anderer sie bestrafen für das, was sie ihm angetan hatte – aber hatte sie es nicht zu ihrer aller Wohl getan? Waren sie und das Kind bei Caleb nicht ungleich besser aufgehoben als bei ihm? Andererseits, warum hatte sie ihm nicht vertraut? Warum hatte sie ihm das Geheimnis des Buchs von Ascalon nicht offenbart, da sie einander doch so nahe gewesen waren, wie zwei Menschen nur sein konnten?
Resigniert schüttelte Conn den Kopf.
Er kannte sich selbst gut genug, um zu wissen, dass all diese Überlegungen im Grunde nur einem Zweck dienten – nämlich das schlechte Gewissen zu vertuschen, das er Chaya gegenüber hatte.
D ie ganze Zeit über hatte er beteuert, mit dem Verschwinden des Buches von Ascalon nichts zu tun zu haben, und jede Anschuldigung weit von sich gewiesen. Indem er Bischof Adhémars Angebot annahm und sich bereit erklärte hatte, nach der Lade des Volkes Israel zu suchen, um sie für die Kirche in Besitz zu nehmen, hatte er jedoch gezeigt, dass sie ihn nicht zu Unrecht verdächtigt hatte. Er mochte nicht ihr Feind sein, so wie andere Kreuzfahrer es waren.
Aber er war auch nicht ihr Freund.
»Sonderbar«, grübelte Bertrand, der neben ihm an der Feuerstelle saß, die die Mitte des Wohnraumes einnahm. »Ich hatte erwartet, das Heer bei unserer Ankunft zum Aufbruch gerüstet vorzufinden, aber das Gegenteil ist der Fall. Es scheint fast, als hätten die hohen Herren das Interesse daran verloren, nach Jerusalem zu ziehen.«
»Ich habe gehört, dass es Uneinigkeit gibt im Fürstenrat«, berichtete Baldric, der ihnen gegenübersaß und an einem winzigen Stück Brot kaute. Conn und Bertrand hatten ihre Rationen bereits vertilgt.
»Uneinigkeit? Wann sind sich die hohen Herren je einig gewesen?«, fragte Bertrand augenzwinkernd dagegen.
»Gemäß dem Eid, den sie Kaiser Alexios geleistet haben, müsste Antiochia seiner Herrschaft übergeben werden«, führte Baldric weiter aus. »Aber es gibt auch Fürsten, die die Ansprüche des Kaisers in Frage stellen, allen voran Bohemund von Tarent, der sich gerne selbst zum Herrn von Antiochia aufschwingen würde. Darüber ist ein heftiger Streit entbrannt, der das Kreuzfahrerheer am Weitermarschieren hindert, von der Hitze des Sommers ganz abgesehen.«
»V on mir aus sollen sie sich ruhig Zeit lassen«, meinte Bertrand achselzuckend. »Ich hätte nichts dagegen, noch eine Weile auszuruhen.«
»In einer Stadt, in der die Menschen hungern?«, fragte Baldric zweifelnd. »In deren Gassen man nachts nicht sicher ist und Seuchen grassieren? Was ist nur aus uns geworden? V iele Kreuzfahrer haben den Eid, den sie als Pilger geleistet haben, verraten und sind zu gemeinen Räubern geworden, nicht besser als jene, die zu vertreiben wir aufgebrochen sind.«
Conn zuckte zusammen. Unwillkürlich fühlte er sich angesprochen, und ihm wurde nur noch elender zumute. Dass es die Kirche selbst war, die ihn beauftragt hatte, tröstete ihn nicht. Das Gefühl, dass er etwas Falsches tat, blieb bestehen, und einmal mehr empfand er ohnmächtige Wut auf Berengar, der ihn zu seinem Komplizen gemacht hatte. Gewiss erhielt Conn dadurch die Chance, sich an Guillaume de Rein zu rächen, und allein das war es vermutlich wert, jede erdenkliche Sünde dafür zu begehen. Aber er würde Chaya dafür verraten, und dieser Handel war ihm unerträglich. Welchem Ansinnen war der Vorzug zu geben – dem Racheschwur, den er einst geleistet hatte, oder der Gerechtigkeit? Nia schien auf der einen Seite zu stehen, Chaya auf der anderen, so als
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