Das Buch Von Ascalon: Historischer Roman
diese Schriftrolle an mich zu übergeben.«
»An Euch? Weshalb?«
»W eil sie sich zuvor in meinem Besitz befand, Herr. Die Schriftrolle wurde mir gestohlen, und Conwulf wollte sie mir zurückbringen.«
»Das ist alles?«
»So ist es. Conwulf ist kein Spion. Er ist aus anderen Gründen nach Acre gekommen. Er hat sich aus freien Stücken in Gefahr begeben, um ein begangenes Unrecht wiedergutzumachen.«
»W enn es so war, wie Ihr sagt, weshalb habt Ihr dann die Wache gerufen?«
»Nicht ich rief nach der Wache, Herr, sondern mein Ehemann«, verbesserte Chaya und senkte schuldbewusst den Blick. »Er hat die Situation missverstanden.«
»Das kann ich ihm nicht verdenken«, brummte der Armenier. »W as würde ich wohl denken, wenn ich einen fremden Mann im Gemach meiner Ehefrau vorfinden würde?«
» W ie ich schon sagte, Herr – es war ein Missverständnis. Conwulf musste fliehen und wurde verhaftet, noch ehe wir es aufklären konnten. Und da ich bislang nicht wusste, dass er sich in Eurem Gewahrsam befindet, komme ich erst jetzt zu Euch, um Euch um Nachsicht und um Conwulfs Freilassung zu bitten.«
»Ich verstehe. Bedauerlicherweise habe ich darüber nicht zu entscheiden. Der qa’id ist unverrückbar der Ansicht, dass der Engländer ein Spion des Feindes ist, der unsere Verteidigung auskundschaften soll. Und da Conwulf beharrlich schweigt, was die Gründe seines Hierseins angeht, kann ich das Gegenteil nicht beweisen.«
»Conwulf schweigt meinetwegen, Herr. Um mich und mein Kind zu schützen.«
»Das wäre allerdings sehr edelmütig von ihm. Denn es bedarf eines starken Willens, den Qualen der Folter zu widerstehen.«
»W as habt Ihr ihm angetan?«, fragte Chaya. Der Gedanke war ihr unerträglich.
»Seid unbesorgt, der Engländer wird keine dauerhaften Schäden davontragen. Sorgen sollte sich nach allem, was ich in Euren Augen sehe, wohl eher Euer Ehemann.«
Chaya senkte beschämt den Blick. Fast wünschte sie sich, lieber doch einen tumben Schlächter vor sich zu haben anstelle des scharfsinnigen Beobachters, der Bahram war. Seinen wachen Augen schien so leicht nichts zu entgehen, mehr noch, sie konnten offenbar ins Innere eines Menschen blicken.
»W as ich getan habe und was nicht, muss ich vor Gott rechtfertigen«, sagte sie leise und mit noch immer gesenktem Antlitz. »Ich bitte Euch, mich nicht danach zu beurteilen, sondern nach der Wahrheit, die ich Euch bringe.«
»Und was für eine Wahrheit ist das, Chaya?«, verlangte Bahram zu wissen. »Ihr wollt den Engländer entlasten, aber bislang habt Ihr keinen Beweis für seine Unschuld vorgelegt. Im Gegenteil scheint Ihr sehr viel mehr zu wissen, als Ihr mir offenbaren wollt.«
» Nein«, sagte Chaya schnell und schaute auf. Ihr Blick nahm einen flehenden Ausdruck an. »Bitte denkt das nicht von mir, Herr. Ich bin hier um Conwulfs willen. Er hat sein Leben für mich eingesetzt, und ich würde alles tun, um das seine zu retten.«
»Alles?«, hakte Bahram nach.
Chaya war bewusst, dass sie sich auf gefährlichen Boden begab. Dennoch tat sie den nächsten Schritt. »Ja, Herr.«
»Dann sagt mir, was es mit jener Schriftrolle auf sich hat.«
»Das kann ich nicht.«
Der Hauptmann nickte. »Ich habe keine andere Antwort erwartet – aber glaubt Ihr im Ernst, Ihr könntet Conwulfs Freilassung erwirken, wenn Ihr noch nicht einmal die Wahrheit sagen wollt?«
»Ich sage die Wahrheit, Herr.«
»Aber nicht die ganze«, schnaubte der Armenier, und erstmals klang er unwirsch dabei. »Obwohl der Engländer Conwulf jene Schrift bei sich trug und sie sich also in seinem Besitz befand, wollte er selbst unter Anwendung der Folter kein Wort darüber verlieren. Und obschon es um das Leben eines Mannes geht, an dem Euch mehr gelegen scheint, als es sich für eine verheiratete Frau schickt, wollt auch Ihr Euer Schweigen nicht brechen. Was also, frage ich mich, hat es mit jenem Pergament auf sich?«
»Nichts, was Euch bedrohen würde, Herr«, versicherte Chaya.
»Das nehme ich auch nicht an, andernfalls hätte ich nicht angeordnet, die Folter auszusetzen. Aber wenn ich mich für die Freilassung des Engländers einsetzen soll, dann verlange ich Klarheit.«
»Das verstehe ich, Herr«, antwortete Chaya, während in ihrer Brust zwei Löwen miteinander rangen. Der eine Löwe war die Zuneigung zu ihrem Vater und das Pflichtgefühl ihrem Volk gegenüber – der andere war ihre Liebe zu Conn, derer sie sich in diesem Augenblick in vollem Umfang bewusst wurde.
» Der Text
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