Das Buch Von Ascalon: Historischer Roman
des Dieners und die unverhohlene Abneigung, die der Jüngling an den Tag legte, gefielen ihm ganz und gar nicht. Außerdem hatte es auch in London Juden gegeben, und es war allenthalben von ihrem Hang zu dunklem Zauber und Giftmischerei zu hören gewesen. Sollte er sein Wohlbefinden in die Hände eines solchen Quacksalbers legen, der darüber hinaus noch ein halbes Kind war?
»Lass sehen«, verlangte der Junge und trat auf Conn zu. Der Blick seiner dunklen Augen traf ihn dabei so unvermittelt, dass es Conn eine Gänsehaut bereitete.
»Es ist nichts«, beteuerte er noch einmal.
»Komm schon«, forderte Baldric ihn auf. »W arum lässt du Ilan die Wunde nicht ansehen? Schlimmer kann’s schließlich nicht werden.«
Damit hatte der Normanne allerdings recht. Widerwillig zog Conn den Arm aus der Schlinge und zerrte den von Eiter und Blut durchnässten Verband herab. Den sengenden Schmerz, den er dabei verspürte, ignorierte er, so gut er es vermochte.
Ilan warf zuerst einen sorgsamen Blick auf die hässlich dunkle Öffnung, roch dann vorsichtig daran und bedachte Conn schließlich mit einem düsteren Blick.
»Das ist nicht gut«, stellte er fest.
»W as du nicht sagst.«
»Die Wunde ist stark entzündet und muss unbedingt versorgt werden. Andernfalls …«
»W as?«, hakte Conn nach.
»… wirst du den Arm bald nicht mehr gebrauchen können.«
C onn fühlte einen Kloß im Hals. Obwohl der Junge es nicht aussprach, war allen klar, was dies bedeutete. Ein Arm, der nicht mehr zu gebrauchen war und zudem die Gefahr barg, dass sich die Entzündung auf den gesamten Körper ausbreitete, musste amputiert werden. Und wer einen Arm verloren hatte, der war ein Krüppel, vom Herrn gezeichnet für seine Vergehen, und hatte daher weder Erbarmen noch Mitleid zu erwarten.
»Kannst … willst du mir helfen?«, erkundigte er sich leise. Für einen kurzen Moment begegneten sich ihre Blicke, und Conn hatte nicht mehr das Gefühl, jene trotzige Feindseligkeit in den Augen des anderen zu sehen, sondern Mitgefühl und, was ihn zutiefst verwirrte, eine gewisse Anziehung …
»Ich werde es versuchen, aber nicht hier. In unserer Herberge habe ich eine Salbe aus Kräuterextrakten, die ich dir auflegen könnte. Und man müsste die Wunde aufschneiden und …«
»Aufschneiden ? « Conn glaubte, nicht richtig zu hören.
»… und den Eiter ausfließen lassen, um sie zu säubern«, fuhr der junge Jude unbeirrt fort.
»Das kommt nicht in Frage«, widersprach Conn. »Ich werde gewiss nicht …«
»Es ist deine Entscheidung. Aber wenn nicht bald etwas passiert, wirst du den Arm verlieren. Und wenn das nicht rechtzeitig geschieht, auch dein Leben.«
Die Entscheidung war Conn nicht besonders schwergefallen.
Seine Vorbehalte hatte er noch immer, und er war alles andere als begeistert von dem Gedanken, dass der großmäulige Diener des alten Isaac mit einem glühenden Messer in seiner schwärenden Wunde stochern würde. Aber er sah ein, dass er keine andere Wahl hatte – wie so häufig in letzter Zeit.
Früher war Conn frei gewesen, frei in seinen Gedanken wie auch in den Dingen, die er tat. Seit jener schicksalhaften Nacht jedoch wurde er das Gefühl nicht los, dass fremde Mächte s ein Leben bestimmten, und anders als der ehrfürchtige Baldric war er nicht in der Lage, dahinter göttliche Vorsehung zu vermuten.
Sie hatten die Herberge aufgesucht, in der der Kaufmann und sein Diener abgestiegen waren, ein mehrstöckiges Gebäude am Ende einer langen Gasse, in der jüdische Geldverleiher ihre bisweilen zweifelhaften Dienste anboten. Auch Isaac billigte ihre Methoden nicht, wie er betonte, jedoch sei anderswo in der Stadt kein Quartier mehr zu bekommen gewesen.
Ilan bestand darauf, Conn mit nach oben in die Unterkunft zu nehmen, um die Wunde dort zu versorgen. Der Gedanke schien Isaac zunächst nicht zu gefallen, aber schließlich willigte er ein, und so blieben Baldric und er im Schankraum zurück, während Conn Ilan nach oben begleitete, sengende Schmerzen im Arm und ein flaues Gefühl in der Magengegend.
Die Kammer war nicht sehr groß, und durch das Fenster, das auf die schmale Gasse blickte, drang so wenig Licht, dass Ilan eine Kerze entzünden musste. Er forderte Conn auf, sich an den kleinen Tisch zu setzen, der die Mitte der Kammer einnahm. Dann ging er im flackernden Licht daran, die vor Eiter und Nässe glänzende Wunde zu säubern. Bei jeder Berührung zuckte Conn zusammen.
»W as?«, fragte Ilan indigniert, der seine Kapuze
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