Das Buch von Eden - Die Suche nach dem verlorenen Paradies
den ich Euch vor ein paar Jahren geschickt habe, war ein Unruhestifter, der es mit den Regeln des heiligen Benedikt nicht allzu genau nahm. «
» Nun «, begann der Abt gedehnt, dem es am wenigsten um Aelvins Ruf ging. Er fügte noch etwas hinzu, so leise, dass Aelvin es nicht verstand. Der Mann roch nach feuchter Wolle, nach Erde und dem Schweiß eines langen, mühsamen Marsches.
Aelvin konnte ihn atmen hören, als er sich zu ihm herabbeugte. Vermutlich hatte er ihn längst durchschaut, wusste schon, dass er wach war und jedes Wort mit angehört hatte.
» Und er hat was getan, sagt Ihr? « Sein Atem roch säuerlich.
Der Abt sprach jetzt ein wenig lauter und beflissener.
» Unter Einsatz seines eigenen Lebens hat er eines der Schafe gerettet. «
» Hat das jemand mit angesehen? «
» Ob es Zeugen gibt? Gewiss, einen zweiten Novizen. «
» Hmm «, machte der Mann. » Einen zweiten Novizen, so, so. Der gute Aelvin war schon früher ein Meister darin, schlichtere Geister in seine Schelmenstücke mit einzubeziehen. «
» Er ist nur ein Junge, Bruder Albertus. Kein Grund, Euch Sorgen zu machen. «
Mit einem abrupten Rascheln richtete sich der Mann wieder auf. Aelvins Herz sprang fast aus der Brust, strampelnd und panisch wie ein Ferkel im Angesicht des Schlachters.
» Meine Sorge gilt nicht ihm, ehrwürdiger Abt, sondern allein dem Mädchen. Ihre Sicherheit ist wichtiger als … nun, ihre Bedeutung ist für die Sache des Herrn unermesslich. Ihr versteht das, nicht wahr? «
Zum ersten Mal klang auch der Abt eine Spur schärfer, er fühlte sich angegriffen. » Ihr mögt Provinzialprior der Dominikaner sein, Bruder Albertus, doch das gibt Euch nicht das Recht, irgendetwas in Zweifel zu ziehen, das ich Euch versichere. «
Albertus stieß einen Seufzer aus, und als er wieder sprach, klang er viel sanftmütiger. » Verzeiht, Bruder Abt. Die lange Reise … und die Sorge um das Mädchen … Glaubt mir, es stand nicht in meiner Absicht, Euch zu beleidigen. Vergebt mir. «
Seine Schritte entfernten sich. Aelvin hatte das Gefühl, sich vor Erleichterung übergeben zu müssen. Sein ganzer Körper schien verrückt zu spielen, und nun überkam ihn die absurde Furcht, seine Glieder könnten ihm nicht mehr gehorchen, sich verselbstständigen und womöglich grundlos zu zucken beginnen.
Mach dich nur verrückt, redete eine innere Stimme ihm zu. Das ist sicher der beste Weg, dass alles offenbar wird.
» Dem Mädchen darf nichts geschehen, koste es, was es wolle «, sagte der Dominikaner. » Ihr Leben ist mir wichtiger als mein eigenes. «
Aelvin wollte gerade die Augen eine Winzigkeit weit öffnen, als Albertus hinzusetzte: » Und was den Jungen angeht, so täte er gut daran, sich in dieser Nacht nicht von seinem Lager zu bewegen! « Er sprach so laut und bestimmend, dass kaum Zweifel bestand, dass die Worte an Aelvin selbst gerichtet waren.
Er weiß es, dachte Aelvin zitternd. Er weiß, dass ich wach bin.
Doch in der wundersamsten aller Wendungen dieser Nacht war es abermals der Abt, der ihm zu Hilfe kam. » Sorgt Euch nicht wegen Aelvin. Sein Knöchel ist verletzt, er kann keinen Schritt tun, ohne vor Schmerz aufzuschreien. «
Albertus brummte etwas, dann raschelte das Bett des Mädchens. Aelvin öffnete mit größter Vorsicht ein Auge und lugte über den Rand seiner Decke zu den Männern hinüber. Zu seinem Erstaunen war der Kopf des Dominikaners kahl; von früher hatte er ihn anders in Erinnerung. Und doch gab es keinen Zweifel, dass er es war. Der Magister Albertus von Lauingen, den manche auch Albertus Magnus nannten, Oberhaupt des Dominikanerkonvents zu Köln und persönlich dafür verantwortlich, dass Aelvin vor vier Jahren von dort verwiesen und ins Kloster der Zisterzienser abgeschoben worden war.
»Ihre Tracht ist nass vom Schnee«, stellte der Magister fest. »Wir können sie so nicht schlafen lassen. Seid so gut, und wendet Euch kurz ab. «
Abt Michael wandte das Gesicht zur Tür, merklich nervös, während der Magister daranging, das Mädchen auszuziehen, in ein Nachtgewand der Mönche zu kleiden und schließlich fest in der wollenen Decke zu verpacken. Einmal, ganz kurz nur, sah Aelvin den Schimmer einer schlanken, weißen Fessel.
» Bittet einen der Brüder, das hier zu waschen und zu trocknen «, sagte Albertus zum Abt, nachdem dieser sich ihm neuerlich zugewandt hatte. Feuerschein glänzte auf seiner schweißfeuchten Stirn.
» Noch heute Nacht? «, erkundigte sich der Abt. » Heißt das, Ihr wollt
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