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Das Buch von Eden - Die Suche nach dem verlorenen Paradies

Titel: Das Buch von Eden - Die Suche nach dem verlorenen Paradies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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er bereit, dich aufzunehmen. «
    Um Aelvin drehte sich die Studierstube. Braunes Holz, dunkle Schatten, der jaulende Wind vor dem Fenster. Ein Strudel, der ihn tiefer und tiefer in einen Abgrund saugte.
    Die Stadt verlassen. Seine Heimat aufgeben.
    Aber hatte er das nicht bereits getan, als er dem Orden beigetreten war?
    » Du reist morgen ab. Bis zur Abtei der Zisterzienser in der Eifel sind es mehrere Tagesmärsche. Es ist eine karge, unwirtliche Gegend, in der nur wenige Menschen leben. Dort gibt es nichts, das dich erneut vom rechten Weg abbringen könnte. Und wenn doch, nun, dann liegt die Verantwortung nicht länger in meiner Hand. «
    Albertus ließ sich zurück auf seinen Schemel sinken, schlug die Seite eines Buches um und fuhr fort, darin zu lesen, so als habe das Gespräch nie stattgefunden. Er war nicht weiter an Aelvin oder dessen künftigem Wohlergehen interessiert. Vielmehr schien es, als habe er dem Drängen der anderen Brüder nachgegeben und sich widerstrebend um diese Angelegenheit gekümmert – auf die einfachste und schnellste Weise.
    » Du darfst dich entfernen, Aelvin. « Der Magister blickte nicht von den Seiten auf, bereits ins nächste theologische Problem vertieft. » Geh rasch, mein Sohn, und geh mit Gott. «
    *
    Das Mädchen lag noch immer so da, wie die beiden Mönche es zurückgelassen hatten. Ihr schwarzes Haar war vor nicht allzu langer Zeit bis auf die Kopfhaut geschoren worden, doch nun war es auf einen Fingerbreit nachgewachsen, strubbelig und ein wenig wild. Ihr Körper unter der braunen Wolldecke wirkte ungemein schmal und zerbrechlich. Sie wa r n icht groß – kleiner als Libuse, schätzte Aelvin, und sein Herz machte einen Hüpfer –, und weil sie auf der Seite lag, hob sich ihr Hüftknochen scharf umrissen unter der Decke ab.
    Aelvin wagte nicht, sich über sie zu beugen, aus Angst, sie könne erwachen. Oder schlimmer noch, Albertus und der Abt könnten zurückkommen und ihn nicht nur gesund auf beiden Beinen, sondern auch noch am Bett des Mädchens ertappen. Die Strafen, die das nach sich ziehen würde, wagte er sich nicht auszumalen. Ohnehin würde ihn vermutlich ein Blitz des Herrn treffen und seiner elenden Existenz gleich auf der Stelle ein Ende bereiten.
    Blieb ihm nur, das Bett zu umrunden, näher ans Feuer heran, um so einen Blick von vorn auf die Schlafende zu riskieren.
    Er war verwirrt, vollkommen durcheinander. Sein ganzes Inneres war in Aufruhr, seine Knie fühlten sich an wie warmes Kerzenwachs, und sein Herzschlag wollte sich ohnehin schon seit Minuten nicht mehr beruhigen.
    Odos Züge erschienen vor seinem inneren Auge, mit erhobener Augenbraue, wie mahnende Engel, die manche Illuminatoren auf die Schultern von Sündern malten.
    Tu ’ s nicht, riet Odo in seinen Gedanken, und nun fehlte ihm wahrlich nur noch ein Heiligenschein über dem rotwangigen Gesicht. Geh zurück ins Bett. Tu so, als sei nichts geschehen. Du hast nichts gesehen, nichts gehört.
    Nichts gesehen! Von wegen. Wie hätte er das übersehen können? Ein Mädchen im Kloster. Im selben Zimmer. Und was ihn beinahe mehr beschäftigte als ihre Anwesenheit, war der Umstand ihrer Ankunft, bei Nacht und an der Seite des gestrengen Magisters.
    Viele Rätsel auf einmal. Zu viele jedenfalls, um sich die Decke über den Kopf zu ziehen und so zu tun, als sei nichts gewesen.
    Mit vorsichtigen Schritten schlich Aelvin näher heran. Di e H itze des Feuers nahm ihm hier vorne, so nahe bei den Flammen, fast den Atem. Aber ihr würde sie gut tun, nach einem Marsch durch die eisigen Wälder. Gott allein wusste, wie lange sie dort draußen gewesen war. Zusammen mit diesem unnahbaren Unhold, der vermutlich auch heute noch nichts anderes als seine Studien im Sinn hatte. Damals hatte er Aelvin kühl, beinahe beiläufig abgeurteilt. Wenn er heute vorgab, sich um dieses Mädchen zu sorgen, dann lag das gewiss nicht an seiner Zuneigung zu ihr. Es musste einen anderen Grund geben.
    Sogar im Feuerschein wirkte sie blass. So schwarz wie ihr Haar waren auch ihre feinen Brauen. Aelvin fragte sich, welche Augenfarbe sie hatte, und brachte sein eigenes Gesicht noch ein wenig näher an ihres, als könnte er so durch ihre Lider blicken. Dabei entdeckte er, dass ihre Augen wild umherzuckten, Anzeichen eines unruhigen Traumes. Ihre langen dunklen Wimpern flatterten leicht, hoben sich aber nicht. Sie hatte einen kleinen Mund und volle Lippen, die von der Winterkälte rau und rissig geworden waren. Es wäre wohl das Mindeste

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