Das Buch von Eden - Die Suche nach dem verlorenen Paradies
eingestehen, dass ihr kindliches Kichern ansteckend war, auch wenn er eigentlich beleidigt sein sollte ob ihrer frechen Antwort. » Nun, jedenfalls ist er wohl vor ungefähr zehn Jahren gemeinsam mit Thomas von Aquin zurück nach Köln gegangen und hat dort das Generalstudium gegründet. Er hat sich mit den Wissenschaften beschäftigt, Abhandlungen über die Natur und die Heilkunde geschrieben, antike Philosophen übersetzt und kommentiert, all solche Sachen eben. Nach einer Weile hat dann Thomas die Leitung des Generalstudiums übernommen, und Albertus wurde zum Provinzial ernannt. Seither wandert er von Konvent zu Konvent, von Kloster zu Kloster und schnüffelt herum, verhängt Strafen und sieht nach dem Rechten. «
» Schnüffelt herum? « Sie kicherte erneut. » So wie du hier oben auf dem Turm? «
» Wenn du meinst, dass er und ich irgendwas gemeinsam haben könnten, dann lass dir sagen – «
» Oh, ich denke nicht, dass du und einer der gebildetsten, klügsten und rechtschaffensten Männer des Abendlandes viel gemeinsam haben könntet, Aelvin. «
Er ging über ihre Bemerkung hinweg. » Das Spannendst e k ommt noch. Vielleicht weißt du, dass das Reich seit einem Jahr keinen König mehr hat. Jedenfalls keinen echten. «
» Was soll das heißen? «
» Du kommst aus Frankreich, du kannst das nicht wissen. «
Außerdem bist du eine Nonne, setzte er in Gedanken hinzu. Unter den Mönchen war es allgemein bekannt, dass die weiblichen Angehörigen der Orden den männlichen Geistlichen an Bildung hoffnungslos unterlegen waren. Aber es wäre wohl wenig hilfreich, dergleichen jetzt zu erwähnen.
Aelvin räusperte sich. » Im vergangenen Jahr ist unser König Wilhelm während eines Kriegszugs in Friesland erschlagen worden, Gott hab ihn selig. Eine Gruppe von Fürsten, angeführt vom Kölner Erzbischof Konrad von Hochstaden, hat sich daraufhin von den Engländern bestechen lassen und den Grafen Richard von Cornwall zum König über das Deutsche Reich ausgerufen. Allerdings hat er sich seither nur ein einziges Mal hier im Land blicken lassen, so erzählt man es sich jedenfalls, und das war im Dom zu Aachen, wo Konrad ihm die Krone aufs Haupt gesetzt hat. Gleich danach ist er wieder nach England zurückgekehrt. «
» Was hat das mit Albertus zu tun? «, fragte Favola.
» Wart ’ s ab. Die Entscheidung Konrads von Hochstaden und seiner Verbündeten war nicht unumstritten, und so entschieden sich ihre Gegner, einen eigenen König einzusetzen, und zwar Alfons von Kastilien. Sagt dir der Name was? «
Sie schüttelte zögernd den Kopf.
» Auch von ihm heißt es, dass er sich bislang noch nicht in unseren Landen hat sehen lassen. Das bedeutet, dass wir derzeit nicht nur einen, sondern zwei Könige haben, die allerdings beide Besseres zu tun haben, als das Reich tatsächlich zu regieren. Die eigentliche Macht liegt seitdem in der Hand der Fürsten, und kaum einer unter ihnen ist mächtiger als eben jener Konrad von Hochstaden, der Erzbischof von Köln. «
» Ich verstehe noch immer nicht, was – «
» Konrad ist ein gefährlicher Mann. Er und dein Freund Albertus sind sich seit langem spinnefeind, nicht zuletzt, weil der Magister sich in einen jahrelangen Streit zwischen dem Erzbischof und der Kölner Bürgerschaft eingemischt und dabei Stellung gegen Konrad bezogen hat. «
Während sie zuhörte, rieb Favola nachdenklich über den verborgenen Gegenstand unter ihrem Mantel. Sie trug dieselben dünnen Lederhandschuhe wie in der Nacht zuvor. Wie sie so dastand, mit beiden Händen an der Wölbung vor ihrem Leib, glich sie beinahe einer Schwangeren, die das Ungeborene in ihrem Bauch streichelt. Der Gedanke irritierte Aelvin dermaßen, dass er für einen Moment den Faden seiner Erzählung verlor und verdattert nach den richtigen Worten suchte.
Schließlich fuhr er fort: » Der große Einfluss der reichen Kölner Bürger ist dem Erzbischof seit langem ein Dorn im Auge. Als geistliches Oberhaupt, vor allem aber als Reichsfürst, will er die absolute Macht über die Stadt. Vor fünf Jahren hat er schließlich minderwertige Münzen prägen und die hochwertigen Kölner Münzen durch sie ersetzen lassen. Außerdem errichteten seine Männer neue Zollschranken, alles zu dem Zweck, die Kölner zu schwächen und mürbe zu machen. Die Bürger aber widersetzten sich, stellten ein Heer auf und suchten Beistand bei Konrads Erzfeind, dem Grafen Wilhelm von Jülich. Es kam zur Schlacht, die jedoch keine der beiden Seiten für sich
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