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Das Buch von Eden - Die Suche nach dem verlorenen Paradies

Titel: Das Buch von Eden - Die Suche nach dem verlorenen Paradies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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entscheiden konnte. Nach allerlei Verhandlungen einigten sie sich auf ein Schiedsgericht, in das sie den Magister bestellten. « Aelvin sah Favola fragend an. Folgte sie seinen Worten noch? Wie zur Antwort nickte sie, und Aelvin fuhr fort: » Albertus, der Konrad noch nie gemocht hatte und zudem als Oberhaupt des Kölner Generalstudiums auf die Spenden der Bürgerschaft angewiesen war, verkündete bald darauf sein Urteil und gab der Stadt in allen Streitpunkte n R echt. Der Erzbischof muss getobt haben, aber ihm blieb nichts übrig, als sich zu fügen, Albertus ’ Urteilsspruch anzunehmen und all seine Verfügungen rückgängig zu machen. Die wertlosen Münzen wurden wieder gegen die alten ausgetauscht und die neuen Zölle aufgehoben. Das alles hat ihn nicht nur Unmengen Gold gekostet, sondern auch einen Teil seines guten Rufs und seiner Macht innerhalb der Fürstenschaft. Was er, nicht ganz zu Unrecht, Albertus anlastet. Kurzum: Neben dem Grafen von Jülich gibt es wohl kaum einen Mann diesseits und jenseits des Rheins, den der Erzbischof mehr hasst als unseren Magister. «
    Favola war einige Schritte zurückgetreten und lehnte nun an der Brüstung. Im Winterlicht der gleißenden Schneehauben fiel Aelvin erstmals auf, wie blass sie war. Sie sah krank aus, ausgezehrt und blutarm.
    » Wir werden verfolgt «, sagte sie unvermittelt. » Von Männern auf Pferden. Männern mit Schwertern und Lanzen und Armbrüsten. «
    » Ich weiß. «
    » Der Magister sagt, es sind Männer des Erzbischofs. Sie waren es, die mein Kloster niedergebrannt und … alle getötet haben. « Ihre Augen waren gerötet, und er fürchtete plötzlich nichts so sehr, als dass sie in Tränen ausbräche. Was sollte er dann tun?
    Doch Favola beherrschte sich, ihr Gesicht war starr wie grauer Schiefer.
    » Warum haben sie das getan? «, fragte Aelvin. » Ich meine, wenn sie es auf Albertus abgesehen hätten – «
    » Um ihn geht es gar nicht. «
    » Um was dann? « Er ahnte es, und doch schien es ihm so abwegig, dass er nicht daran glauben mochte, bevor sie es ihm persönlich sagte.
    » Sie suchen mich. « Sie sprach beinahe ohne Emotion. Erst als er ihr so lange in die Augen sah, dass sie ihm schließlich auswich, erkannte er, wie sehr sie sich fürchtete. Zu Recht, wenn das, was sie sagte, der Wahrheit entsprach. In dieser Gegend gab es niemanden, der mächtiger war als Konrad von Hochstaden. Zwar lag die Abtei an der Grenze seines Herrschaftsbereichs und dem des Grafen von Jülich; dieser aber würde sich hüten, wegen eines armseligen Klosters einen weiteren Konflikt loszutreten. Was bedeuteten einem Grafen schon eine fränkische Novizin und eine Hand voll Zisterziensermönche?
    Sie blickte wieder auf. Ihre Unterlippe bebte.
    » Warum dich? «, fragte er leise und machte einen Schritt auf sie zu. Diesmal wich sie nicht zurück. » Ist es wegen « – er deutete auf die Ausbuchtung unter ihren Händen – » wegen dem da? «
    Favola war hin- und hergerissen. Aelvin sah ihr an, dass sie fieberhaft überlegte, was sie tun sollte; dass sie sich nichts mehr wünschte, als sich irgendwem anzuvertrauen. Aber sie hatte Angst, und das vielleicht nicht nur vor dem Erzbischof und Albertus. Mit einem Ruck wandte sie sich um, trat an die Brüstung und blickte hinab in die Tiefe. Ein wenig beruhigter, wohl weil sie den Magister nirgends entdecken konnte, drehte sie sich wieder zu Aelvin herum, musterte ihn einige Herzschläge lang prüfend und ging schließlich in die Hocke.
    » Sieh her «, sagte sie leise.
    Sie teilte ihren Umhang und offenbarte, was sie darunter verborgen hatte.
    Aelvin sank auf die Knie. Es war ein sonderbarer Moment, erfüllt von einer Nähe, die ihn irritierte und zugleich mit einer befremdlichen Freude erfüllte. Ihre zierlichen Hände in den Lederhandschuhen stellten behutsam einen Gegenstand auf den Boden. Er hätte ihn berühren können und musste sich zwingen, es nicht zu tun.
    » Was ist das? «, fragte er stockend.
    Sie sah ihn nicht an. Ein verträumtes, nahezu glückliches Lächeln spielte um ihre Mundwinkel.
    » Die Lumina «, sagte sie. » Die Lichte. «
    Ein, zwei Atemzüge lang fragte er sich, ob sie sich über ihn lustig machte.
    Nein, dachte er dann fast erschrocken. Sie meint es ernst. Sie glaubt, dass wegen diesem Ding hier all ihre Schwestern ermordet wurden. Dass sie deshalb auf der Flucht ist. Hatte Albertus ihr das eingeredet?
    Abermals senkte er den Blick. Blinzelte ungläubig.
    Es war tatsächlich eine Pflanze.
    Eine

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