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Das Buch von Eden - Die Suche nach dem verlorenen Paradies

Titel: Das Buch von Eden - Die Suche nach dem verlorenen Paradies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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nicht zulassen, dass mehr Menschen nach Alamut drängen, als er aufnehmen kann. Er hat seit langem gewusst, dass die Horde ihn belagern würde. «
    » Das bezweifle ich «, entgegnete Sinaida. » Hulagu ist diese Berge leid, so wie wir alle. Er wird Alamut mit solcher Macht angreifen, dass deine Brüder den meinen nichts entgegenzusetzen haben. «
    » Ohne Zweifel wird viel Blut fließen. «
    » Ja «, sagte sie und senkte den Blick. » Aber ich teile Hulagus Ansicht nicht. Es wäre klüger, das Ende dieses Krieges einfach auszusitzen und zu warten, bis Khur Shah sich geschlagen gibt. Viele Männer könnten dann gesund zu ihren Stämmen in den Steppen heimkehren, statt hier in diesen Felsen ihr Leben zu lassen. «
    » Aus deinen Worten spricht Weisheit, Prinzessin Sinaida. «
    Er nannte sie oft so. Prinzessin. Sie war nicht sicher, wer ihm das Wort in der mongolischen Sprache beigebracht hatte. Von ihr hatte er es ganz sicher nicht, denn seit Jahren hatte kein anderer sie mehr so genannt.
    Doquz und sie stammten aus dem Herrscherhaus der Keraiten, einem Tatarenvolk, das Hulagus Großvater Dschingis Khan vor über fünfzig Jahren unterworfen und seinem Großreich einverleibt hatte. Ihre Mutter war an den Hof des Khans in Karakorum gebracht und mit einem Nachkommen des Herrschers verheiratet worden. Als sie nacheinander zwei Mädchen gebar, war unausweichlich gewesen, dass zur Festigung der Bande mit den keraitischen Tataren auch ihre Töchter Männer aus dem Haus des Khans zum Gemahl nehmen würden. So war Doquz vor einigen Jahren mit Hulagu vermählt worden, den sie anfangs ehrte und bald sogar liebe n l ernte. Es war abzusehen, dass auch Sinaida eine politische Hochzeit bevorstand, und in der Tat mutmaßte sie, dass sie ihre Schwester nur aus diesem Grund auf den Feldzug begleiten durfte: Vermutlich hatte Hulagu vor, sie irgendeinem arabischen Fürsten zur Frau zu geben, nachdem er dessen Land unterworfen hatte. Ehen hatten sich stets als die besten Friedensstifter zwischen verfeindeten Herrscherhäusern erwiesen, und Hulagu war bei all seiner Meisterschaft in der Kriegsführung auch ein großartiger diplomatischer Stratege. Wenn eine Hochzeit Sinaidas mit einem Prinzen oder gar König dieser Lande dem Il-Khanat einen treuen Verbündeten einbringen konnte, war eine solche Vermählung unausweichlich. Sinaida war sich dieses Schicksals bewusst, und Kasim ahnte es ebenfalls.
    Obgleich sich Sinaida auf Arabisch mit ihm unterhielt, hatte Kasim die Sprache der mongolischen Eroberer in erstaunlich kurzer Zeit erlernt und spitzte seitdem wachsam die Ohren. Vermutlich wusste er längst viel mehr über die Verhältnisse an der Spitze der Horde, als Hulagu lieb sein konnte.
    Sie lenkte das Gespräch wieder auf seine seltsame Andeutung. » Warum also sollten ein paar Angriffe bei Nacht den Hordenführer einschüchtern? «
    » Khur Shah will keine Schlacht «, erwiderte Kasim und setzte sich auf einen Felsbrocken. Schneidende Böen fuhren unter sein blaues Baumwollgewand, das er über der Hüfte nach Art der Mongolen mit einem gelben Seidenschal gegürtet hatte. Als Sklave trug er natürlich keine Waffe, obgleich Sinaida wusste, dass die Ausbildung der Nizaris ihn befähigte, einen Gegner innerhalb eines Herzschlags mit bloßen Händen zu töten. Er selbst hatte sie während der vergangenen Monate viele dieser Handgriffe gelehrt.
    » Du glaubst, er will verhandeln? «, fragte sie erstaunt. » Nach allem, was Hulagu den Nizaris angetan hat? «
    » Khur Shah ist ein kluger Mann. Sie nennen ihn zwar den Alten vom Berge, weil das der Titel ist, den schon seine Vorväter trugen, doch in Wahrheit ist er recht jung – gerade einmal siebenundzwanzig. Der Trupp von Meuchelmördern, den die Nizaris einst nach Karakorum entsandt haben, um den Großkhan zu ermorden, hat Alamut nicht auf Befehl Khur Shahs verlassen. Damals war noch sein Vater Mohammed an der Macht, und ich bezweifle, dass Khur Shah diese Herausforderung der Mongolen gutgeheißen hätte. « Kasim seufzte. » Wir sehen ja jetzt, was uns dieser Wahnsinn eingebracht hat. Einen Rachefeldzug, wie ihn Allah selbst noch nicht gesehen hat. Außer ein paar hundert Verzweifelten hinter den Mauern Alamuts gibt es keine Nizaris mehr. «
    » Dann wirst du bald der Letzte sein. «
    » Ich? « Niedergeschlagenheit breitete sich über seine sonnengebräunten Züge. » Die Nizaris sind kein echtes Volk, sondern eine Glaubensgemeinschaft. Durch meinen Verrat habe ich das Recht verloren, mich

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