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Das Buch von Eden - Die Suche nach dem verlorenen Paradies

Titel: Das Buch von Eden - Die Suche nach dem verlorenen Paradies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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gestorben, falls Ihr das übersehen habt. Ein Junge ist für uns gestorben, Bruder Albertus! « Der Magister wollte etwas erwidern, doch sie ließ ihn nicht zu Wort kommen. » Aber das ist es doch gar nicht, was Ihr wissen wollt, nicht wahr? «, fuhr sie schneidend fort. » Ist die Lumina unversehrt, darum geht es Euch. Und, ja, Bruder Albertus, sie ist unversehrt, und ihr geht es in der Tat gut, falls Euch das beruhigt. «
    Aelvin starrte sie mit offenem Mund an, und für einen Moment versiegten sogar seine Tränen. Favola warf sich mit einer viel zu kräftigen Bewegung das Bündel auf den Rücken, so energisch, dass es wehtun musste, und schloss mit steifen Fingern die Schnallen der Gurte.
    Albertus schien etwas sagen zu wollen, überlegte es sich anders, schüttelte kaum merklich den Kopf und wandte sich an Aelvin.
    » Es tut mir Leid «, sagte er. Dann trat er so nah an den Rand der Schlucht, wie es gerade noch möglich war, bekreuzigte sich und vertiefte sich in ein stummes Gebet für die Toten.
    Aelvin sank zurück auf die Steintrümmer und barg das Gesicht in den Händen, weinte still vor sich hin, weinte auch weiter, als Favola zu ihm kam und ihm ihre behandschuhte Rechte auf die Schulter legte und gleich darauf begann, ein leises Lied zu singen, kein Kirchenlied, sondern etwas Sanftes, Wohltönendes in ihrer Muttersprache. Es klang wie ein Schlaflied. Oder ein Lied, das Trauernden Trost spendet.
    Schließlich hob Aelvin den Kopf, fixierte den Magister und wartete, bis dieser seine Gebete beendet hatte und sich ihm zuwandte.
    » Ich gehe nicht mit euch «, sagte Aelvin entschieden. » Tut, was Ihr für richtig haltet – aber ich gehe nicht mit. «
    » O doch «, sagte Albertus sanft, » das wirst du. Du hast keine andere Wahl. Favola hat dich gesehen … in ihrem Traum. Sie hat mir davon erzählt. Sie hat dich gesehen, am Ende eures Weges. Eures gemeinsamen Weges. «
    Aelvin sah verwundert zu Favola hinüber, die ihm auswich und eilig zu Boden blickte. Ich habe dich sterben sehen, hatte sie in der Nacht zu ihm gesagt. Glaubte Albertus, dass Favolas Traum eine düstere Prophezeiung barg? Hatte er deshalb schon vor ihrer Flucht verlangt, dass Aelvin sie begleitete?
    Vom Abgrund her ertönte ein Zischen, gefolgt von einem dumpfen Schlag und einem schmerzerfüllten Keuchen.
    Aelvin sah wie betäubt den Magister an, dann Favola.
    Sah einen gefiederten Schaft. Einen wolkigen Blutfleck.
    Favola begrub beides mit ihrem Körper, als sie im Schnee zusammensank.

ZWEITES BUCH DIE GäRTEN GOTTES
    WORIN WIR ZWEI ARTEN VON MAGIE ERLEBEN. UND DAS TOR ZUM PARADIES EINE GANZ GEWÖHNLICHE TÜR IST.
    DAS SCHWERT DES GROSSKHANS
    D as Elburzgebirge,
Persien Anno domini 1257
    K a sim, der Verräter, war vorausgeklettert. Sinaida stand noch immer auf dem Plateau. Mit der Hand beschattete sie ihre Augen und kundschaftete die Landschaft aus.
    Aus dem Boden der Rinne, der Kasim zwischen den Felskanten hindurch gefolgt war, wuchsen verkümmerte Gewächse wie Hände von Unglücklichen, die bei den Sturzfluten der letzten Herbstregenfälle im Schlamm versunken waren.
    » Es ist nicht mehr weit «, rief er ihr zu. » Oben kannst du ausruhen. «
    » Ich bin nicht erschöpft «, erwiderte Sinaida, und das war die Wahrheit. Sie war die Schwägerin des mongolischen Kriegsherrn Hulagu, die Schwester seines Eheweibs Doquz, und das Leben in der kämpfenden Horde hatte ihren Körper geschärft wie der Schleifstein des Schwertschmieds eine Klinge.
    Kasim runzelte die Stirn. » Was tust du dann? «
    » Mich umschauen. «
    » Bei Allah, das kann ich sehen! Aber warum? Ich habe dir gesagt, dass es hier nichts zu befürchten gibt. Abgesehen von der Festung selbst ist das ganze Umland in der Hand eurer Heerschar. «
    Sinaida antwortete nicht.
    Eine Sonne wie diese müsste über einer Wüste brennen, dachte sie, während sie blinzelnd über das Gebirge und den gleißenden Himmel blickte. Der Fels war braun und trocken , die Sonnenstrahlen stachen wie Nadeln in ihre Augen. Die empfindliche Kälte, die seit Wochen über dem Land lag, passte so gar nicht zum Anblick dieser sandfarbenen Ödnis.
    Die zerklüfteten Berge sahen aus, als müsste der Winter eigentlich vor ihnen Halt machen, denn ihre verbrannte Oberfläche unterschied sich kaum von den heißen Staub- und Felswüsten, die Sinaida auf ihrer Reise von Karakorum hierher gesehen hatte. Nur dass Gott das Land an diesem Ort zusammengeschoben hatte wie eine Decke, zerknüllt zu einem Wirrwarr scharfer

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