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Das Buch von Eden - Die Suche nach dem verlorenen Paradies

Titel: Das Buch von Eden - Die Suche nach dem verlorenen Paradies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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stand, und so fochten sie ein stummes, aber faires Duell miteinander – ein Duell, das, hätte es Monate zuvor stattgefunden, vielleicht Tausenden das Leben gerettet hätte.
    Sinaida und Doquz waren als Keraitenprinzessinnen nach den Grundsätzen des östlichen Christentums erzogen worden. Sie glaubten an den einen wahren Gott. Dennoch fand die Hochzeit nach althergebrachtem mongolischem Brauch statt, wobei Hulagu es Sinaida freigestellt hatte, später eine christliche Zeremonie folgen zu lassen; und notfalls eine ismailitische, falls Khur Shah dies wünschte.
    Zu guter Letzt, als die Worte gesprochen, die Schwüre ausgetauscht und ihre Seelen verbunden waren, nannte Hulagu noch einmal den Preis, den Khur Shah für seine Braut zu zahlen hatte.
    » Du wirst alle Männer, die ich dir nenne, in die Kampfkunst der Nizaris einführen lassen «, sagte der Il-Khan in akzentschwerem Arabisch, nachdem er sich von seinem Thron erhoben hatte. » Du wirst eure Geheimnisse offen legen und meinen Gelehrten Zugang zu euren Schriften gewähren. Du wirst dich verpflichten, kein mongolisches Blut zu vergießen, für die Schande deines Vaters Buße zu leisten und dich dem Großkhan in Karakorum bedingungslos zu unterwerfen. «
    Doquz schob unauffällig eine Hand von ihrer Armlehne und berührte ihren Mann am Ärmel. Hulagu räusperte sich. » Und du wirst dein Weib, meine geliebte Schwägerin, ehren, beschützen und ihr Ansehen mit deinem Leben verteidigen. «
    Khur Shahs Antwort kam ohne Zögern. » All das werde ich tun. «
    Hulagu nickte zufrieden. » So sei es. « Er sank zurück auf seinen Thron, versicherte sich eines wohlwollenden Lächelns seiner Frau und gab den Dienern das Zeichen, die Speisen hereinzubringen.
    Während des Festmahls saßen Sinaida und Khur Shah auf einem erhöhten Platz nebeneinander, aber noch immer wechselten sie kaum einen Blick. Selbst als sie ihre Eheschwüre abgelegt hatten, hatten sie einander nicht angesehen. Etwas lag in der Luft, eine seltsame Spannung zwischen ihnen, die Sinaida zu gleichen Teilen erregte, aber auch verunsicherte.
    Bald darauf wurde sie von den Frauen davongeführt und, wie es in der Großen Horde Sitte war, in einem der umliegenden Zelte versteckt. Khur Shah musste sich unter den anfeuernden Rufen der Männer auf die Suche nach ihr begeben und sie, nachdem er sie endlich gefunden hatte, auf seinen Armen in ihre Jurte tragen.
    *
    Sinaida schrie nicht in dieser Nacht.
    Khur Shah versuchte nicht, sie zu berühren, und auch sie streckte keine Hand nach ihm aus.
    Sie hatten ihre Kleider abgelegt und saßen einander im Schneidersitz gegenüber, gleichgestellt in ihrer Blöße, und sie redeten und beobachteten und gaben sich Mühe, den anderen einzuschätzen und zu mögen.
    Sie sprachen nicht über ihre Vergangenheit oder das, was die Zukunft bringen mochte. Stattdessen redeten sie über das wilde Felsenland und die Steppe, über Adler und Pferde und Schlangen, über Gott und Allah und den prachtvollen Garten, den sie in ihren beiden Religionen entdeckten: den Garten Gottes, in dem die ersten Menschen gelebt und gesündigt hatten; und den Garten Allahs, in dem er seine Märtyrer willkommen hieß und von dem Khur Shah behauptete, ihn bereits mit eigenen Augen gesehen zu haben. Denn die Alten vom Berge waren als Einzige in der Lage, ihn bereits zu Lebzeiten zu betreten und unversehrt von dort zurückzukehren.
    Sinaida vermutete, dass der Garten der Nizaris derselbe war wie jener, in den Gott die Seelen der Verstorbenen berief, und in ihr flammte erneut der Wunsch auf, ihn ebenfalls zu sehen.
    » Zeig mir den Garten Allahs «, sagte sie zu Khur Shah. » Nicht, weil du meinen Leuten Treue geschworen hast, sondern weil ich nun ein Teil von dir bin. «
    Als der Morgen graute, nahm Khur Shah Sinaida in seine Arme, und so schliefen sie ein, ohne sich zu vereinigen, wie es doch in der Hochzeitsnacht Tradition gewesen wäre, bei den Mongolen genauso wie bei den Nizaris.
    Am nächsten Tag führte Khur Shah Sinaida ans Meer.
    *
    » Wer ist Shadhan? «, fragte sie, während sie den letzten Felsgrat erklommen. Schweiß rann unter der Fellkleidung über ihre Haut, aber sie hielt ihren Atem unter Kontrolle, wie sie es von Kasim gelernt hatte.
    Khur Shah sah noch immer so ausgeruht aus wie bei ihrem Aufbruch aus dem Lager. » Er ist ein Gelehrter. Ein Philosoph. Vielleicht der klügste Kopf, den die Nizaris je hervorgebracht haben. « Er sagte das leidenschaftslos, beinahe kühl.
    » Du magst ihn

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