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Das Buch von Eden - Die Suche nach dem verlorenen Paradies

Titel: Das Buch von Eden - Die Suche nach dem verlorenen Paradies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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Lächeln. » Ich weiß von euch allen am wenigsten. «
    » Es ist weit bis dorthin «, sagte Corax unvermittelt.
    Libuse starrte ihren Vater an. » Weißt du, wo er hinwill? «
    » Nein, aber ich weiß, was auf dem Weg dorthin liegt. Deshalb wollte er, dass ich mitkomme. Aber Albertus hat offenbar vor, noch weit darüber hinauszugehen. « Corax verstummte einen Augenblick, dann sagte er lauter: » Viele Monate, Albertus. Wir werden viele Monate lang unterwegs sein, ist es nich t s o? «
    Der Magister gab keine Antwort.
    Libuse hätte ihn am liebsten an der Schulter gepackt und die Wahrheit aus ihm herausgeschüttelt. Er kann das nicht tun, dachte sie: uns alle dazu bringen, ihm zu folgen, ohne uns zu sagen, wohin. So geht das einfach nicht.
    Aber zwang er sie denn zu irgendetwas? Gingen sie nicht vielmehr freiwillig mit ihm?
    Ohne ihnen Versprechungen zu machen, ohne zu bitten oder zu fordern, stellte er ihnen ein Ziel in Aussicht. Einen Sinn. Und war es nicht das, wonach sie alle suchten, bewusst oder unbewusst?
    Libuse verfiel in nachdenkliches Schweigen.
    Wessen Paradies jagten sie tatsächlich hinterher? Wirklich nur dem seinen?

DIE BRAUT DES MEUCHELMöRDERS
    D ie ersten Sonnenstrahlen krochen über die Felsenzähne des Gebirges. Sie tauchten Alamuts Zinnen in Gold, als sich der Mann in die Tiefe stürzte.
    Sein langes Haar flatterte, als er auf den eisigen Winden ins Tal glitt. Ein schwarzer Papierdrachen trug seinen Körper, ein federleichtes Gestänge, verbunden durch ein Netzwerk lederner Gurte.
    Unten im Lager wurden erste Alarmrufe laut. Finger wiesen an den schroffen Felswänden hinauf, Augen suchten hektisch den Himmel ab. Die Mongolen benutzten Drachen als Erkennungszeichen oder Markierungen in den Weiten der Steppe; einen Menschen aber hatten sie damit noch nie fliegen sehen.
    Noch während Khur Shah, Herrscher von Alamut und Oberhaupt aller Nizaris, durch die Lüfte glitt, war bereits das halbe Lager in Aufruhr. Erst Hunderte, dann Tausende blickten an den Bergen empor, verfolgten den Segelflug des schwarzen Drachen und staunten ungläubig über den Wagemut jenes Mannes, der sich unter der Papierschwinge horizontal in der Balance hielt.
    Tiefer und tiefer sank er, in weiten Kurven und Schleifen, drehte spöttisch eine letzte Runde über den Köpfen der mongolischen Krieger und setzte dann auf einem freien Platz zur Landung an. Seine Füße berührten den Boden, er lief einig e S chritte aus, löste dabei die Schlaufen der Riemen und sank abrupt in die Hocke, so als fiele er vor einem unsichtbaren Gott auf die Knie. Der Papierdrachen löste sich von ihm, segelte elegant ein Stück weiter und senkte sich gemächlich zu Boden. Die Landung hatte kein lauteres Geräusch verursacht als das Atmen eines schlafenden Mannes.
    Khur Shah erhob sich. Krieger umringten ihn. Lanzenspitzen bildeten einen Kreis um ihn herum. Hunderte Schwerter blitzten.
    Ein Ruf übertönte die aufgebrachten Stimmen. Ein harscher Befehl. Eine Gasse bildete sich.
    Der Meister aller Meuchelmörder lächelte. Wie verabredet war er allein gekommen, ohne Leibwächter, ohne Gefolge.
    Khur Shah war hier, um Hochzeit zu halten.
    *
    Sinaida heiratete Khur Shah zur Mittagszeit. Während einer kurzen Zeremonie wurde sie die Braut des jüngsten der Alten vom Berge.
    Das Zelt des Il-Khan war mit Teppichen ausgelegt. Erhöht auf einem goldenen Thron saß Hulagu. In die prachtvolle Rückenlehne hatten chinesische Künstler ein Muster aus Glücksdrachen geschnitzt, die mit einer Perlmuttmuschel spielten. An den Enden beider Armlehnen brüllten hölzerne Löwenköpfe mit leuchtenden Rubinaugen. Der große Dschingis Khan hatte diesen Thron einst vom chinesischen Kaiser erbeutet und fortan bei all seinen Eroberungszügen mitgeführt. Sein Nachfolger Möngke, der Herrscher im fernen Karakorum, hatte ihn an seinen Bruder Hulagu weitergegeben, als dieser mit der Großen Horde nach Westen aufgebrochen war.
    Hulagu war ein kräftiger Mann mit breiten Schultern, und er füllte den Thron seines Ahnen aus, als hätte niemals ein anderer darauf gesessen. Er trug ein braunes Zeremonialklei d m it Stickereien aus Seidengarn, Gold und Korallen; den unteren Saum bildete ein Fries aus Bergen und Wasserwogen, darüber schwebten Drachen an einem Himmel voller Schicksalssymbole. Er hatte zwei schwarze, zu Knoten gedrehte Zöpfe und einen schmalen Bartstreifen am Kinn. Auf seinem Kopf saß eine bestickte Mütze mit einem eingefassten Smaragd über der Stirn.
    Sein Weib

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