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Das Buch von Eden - Die Suche nach dem verlorenen Paradies

Titel: Das Buch von Eden - Die Suche nach dem verlorenen Paradies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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Doquz, ein wenig größer als ihre Schwester Sinaida, ihr sonst aber wie aus dem Gesicht geschnitten, saß zur Linken neben dem ll-Khan. Sie trug Armbänder und Halsketten aus funkelndem Gold, in ihr Kleid waren Perlen eingewebt. Sinaida warf ihr immer wieder nervöse Blicke zu, doch Doquz wahrte ungerührt die erhabene Miene einer Mongolenfürstin; kein Wimpernzucken, kein Fältchen verriet, wie groß ihre Sorge um ihre jüngere Schwester war.
    Einige Berater des Il-Khans saßen im Schneidersitz in einem weiten Halbkreis an den Zeltwänden. Auch sie betrachteten das Brautpaar mit stoischen Mienen, obgleich Sinaida die Männer gut genug kannte, um zu wissen, dass sie doch vor allem das nachfolgende Festmahl im Sinn hatten: Wildhirsch und das Fleisch einer jungen Stute; Airan, den Wein aus persischen roten Trauben; Kumyss, gegorene Stutenmilch; und natürlich Schnaps aus den Kernen von Wassermelonen, der oft auch bei Ratsversammlungen oder strategischen Besprechungen gereicht wurde.
    Khur Shah trug weite, schneeweiße Kleidung aus Segeltuch, in die ein einzelner schwarzer Schmuckfaden eingesponnen war, der rechts und links um seine Schultern hinab zum Saum des Hemdes führte. Sein schwarzes Haar hatte er zu einem Pferdeschwanz gebunden, sein voller Bart war sorgsam gekämmt und gefettet. Er roch gut, fand Sinaida: nach dem Wind über den Gipfeln der Berge und nach sonnenverbranntem Gestein.
    Khur Shah und sein Vertrauter Kasim, der Überbringe r s eines Eheangebots, hatten zur Begrüßung nur einen kurzen Blick gewechselt, ein kaum merkliches Nicken. Für einen Moment hatte Sinaida in den Augen dieser beiden Männer den Funken tiefer Freundschaft aufblitzen sehen. Sie hatte erkannt, dass sie fortan nicht einen, sondern zwei Beschützer haben würde.
    Da die Hochzeit so kurzfristig angesetzt worden war, war den Frauen im Lager keine Zeit geblieben, ein Hochzeitsgewand für Sinaida zu nähen. Doquz hatte das ihre aus einer Kiste genommen, eigenhändig ein paar Kleinigkeiten geändert und es Sinaida zum Geschenk gemacht. » Möge es dir so viel Glück und Liebe bringen, wie mir zuteil geworden ist «, hatte sie gesagt und dann mit mädchenhaftem Zwinkern hinzugefügt: » Und möge der Kerl im Bett so stark und ausdauernd sein wie der Hengst des Großkhans! Heut Nacht will ich dich schreien hören, kleine Schwester. «
    Sinaida hatte gelächelt. Sie würde nicht schreien, das hatte sie mit Bestimmtheit gewusst. Ihr Häutchen war längst gerissen von den endlosen Monaten im Sattel der Pferde, und sie hatte sich schon früher gelegentlich Männer genommen, um herauszufinden, wovon die anderen Frauen flüsterten. Zum Schreien war ihr dabei niemals zumute gewesen.
    Nun stand sie also an der Seite ihres künftigen Ehemannes, während Hulagu sich erhob und die zeremoniellen Worte sprach. Sinaida und Khur Shah hatten sich nur zwei Mal kurz gesehen, bevor sie das Zelt des Kriegsherrn betreten hatten: einmal nach Khur Shahs Landung, als sie es sich nicht hatte nehmen lassen, ihn als Erste offiziell im Lager der Großen Horde willkommen zu heißen; und zum zweiten Mal, nachdem sie beide angekleidet, ihr Haar gebürstet und die Segen der Schamanen über sie gesprochen worden waren.
    Khur Shah, der an Allah glaubte und gewiss keine Liebe für die Religion der Steppenvölker hegte, hatte alles mit erhabener Miene über sich ergehen lassen. Außer einem kurzen, fast ei n w enig verlegenen Lächeln nach seiner Ankunft und ein paar linkischen Worten zur Begrüßung hatte er noch keine offene Regung beim Anblick seiner Braut gezeigt. Doch Kasim, der außen vorm Zelt hatte zurückbleiben müssen, hatte Sinaida noch zugeflüstert, dass ihr künftiger Mann bereits in Liebe zu ihr entbrannt war, als die Spione sie zum ersten Mal erwähnt hatten. Das mochte übertrieben sein, eine handfeste Lüge sogar, doch sie fürchtete weder Khur Shah noch die Zukunft.
    Was sie von den Nizaris lernen konnte, war weit mehr als das, was sie im Harem eines Sultans oder als Weib eines Araberfürsten erwartete. Nicht in den Feinheiten der Liebeskunst wollte sie unterrichtet werden, sondern im Handwerkszeug des Kriegers; nicht im Ausstaffieren zu größtmöglichem Liebreiz, sondern in der Kunst, zu Fels, zu Wind, zu Nacht zu werden.
    Und wenn er ihr beibrachte, mit seinem Papierdrachen zu fliegen, so wäre das eine hübsche Beigabe.
    Hulagu betete die rituellen Worte herunter und ließ Khur Shah dabei nicht aus den Augen. Der Nizariführer hielt seinem Blick

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