Das Chamäleon-Korps
freien Rede seid.“
„Ich bin gegen Spione und Typen, die mir unaufgefordert Nadeln in den Arsch rammen“, meinte Jolson. „Wo sind die verdammten Bakterien?“
„Ich verrate nichts“, sagte Waycross.
„Ich laß dich noch mal fallen. Aus noch größerer Höhe.“
„Na ja, wenn Sie es so ausdrücken“, sagte Waycross. „Mein Freund Marks hat das Zeug. Er wartet in der Cock’n’ Bull Taverne. Ich wollte um zehn abfliegen. Aber ich mußte noch den guten alten Walter R. Scamper begrüßen. Das haben Sie ja prächtig versaut!“
„Stimmt“, sagte Jolson. Er verpaßte Waycross einen anständigen Kinnhaken und rollte den Bewußtlosen unter eine Reihe gelber Rosenbüsche. Dann ging er wieder als Waycross zum Cock’n’ Bull.
Er fand Stu Marks tatsächlich und bekam den Attachekoffer. Jolson entschloß sich, ihn mittels einer Handschellenvorrichtung an sein Handgelenk zu schnallen. Als er gerade die Taverne verließ, stiegen vier von Dekan Ridings berittenen Aufsehern von ihren Pferden.
„Gar nicht auf der Demo, Waycross?“ rief einer von ihnen und zückte einen schwertähnlichen Schockstab.
Jolson fluchte und hechtete zurück in die Kneipe.
„Ich rate euch Jungs, Abstand zu halten“, sagte er zu den Aufsehern. „Die einzige Waffe, die ich habe, ist leider ziemlich tödlich.“ Er zögerte, drehte sich um und verschwand hinter einer halbgeöffneten Tür. Er hoffte, die trainierten Bazillen nicht einsetzen zu müssen.
Jolson lief durch den halbleeren Lagerraum und öffnete ein Fenster. Er nahm den Griff des Attachekoffers zwischen die Zähne und sprang auf ein Schrägdach hinaus. Hinter ihm kamen drei Aufseher in den Raum gestürzt.
Er kroch über einen Giebel und versteckte sich hinter einem Schornstein. Dann verwandelte er sich wieder in einen Adler. Die Handschelle fiel von seiner Flügelspitze hinab, aber er hatte den Koffer in seinem großen Schnabel und konnte den Aufsehern entkommen.
Am Raumhafen hatte sich die Demonstration mittlerweile zu einem Krawall entwickelt. Jolson verwandelte sich wieder in sich selbst. Den Bazillenkoffer befestigte er schnell wieder an seinem Handgelenk.
Nachdem das Schiff gestartet war, setzte ein dünner, sommersprossiger Mann neben Jolson sein Glas an der Bar der Cocktail Lounge ab und fragte: „Was denken Sie denn über diese studentische Entjochungsbewegung?“
Jolson rückte den Bazillenkoffer so zurecht, daß er ihm bequemer im Schoß lag. „Zum Teufel“, sagte er. „Ich denke überhaupt nicht mehr.“
Der Schwertschlucker
(THE SWORD SWALLOWER)
1
Der alte Mann tanzte auf der Wand. Er wurde größer, flackerte und war verschwunden.
Das Licht in dem pfirsichfarbenen Büro ging wieder an, der Projektionsapparat wurde still, und der Chef klimperte mit den Lidern und blickte mit seinen großen, runden Augen in die Runde. „Ich werde Ihnen sagen, wer das war“, sagte er. Er schnippte eine gelbe Scheibe aus einer Filigranpillendose und legte sie auf seine Zunge.
Ben Jolson, der krumm auf der Besucherseite des niedrigen schwarzen Schreibtischs saß, sagte: „Der Mann, den ich nachahmen soll.“
„Das ist richtig“, sagte Chef Mickens, schluckte die Pille und begann zu strahlen. Er legte eine Fingerspitze in die Höhlung unter seinem linken Arm. „Der Druck, den diese Sache mittlerweile erzeugt, wird in letzter Zeit immer stärker, Jolson. Ein Grund dafür ist der ganze Ärger mit dem Kriegsministerium.“
„Sie meinen das Verschwinden von Personen?“
„Genau“, sagte Chef Mickens und löste die Halsnaht seines gedämpft blauen Kittels. „Erst war es General Moosman, dann folgte Admiral Rockisle. Eine Woche später ist Bascom Lamar Taffler, der Vater des Nervengases Nr. 414, spurlos verschwunden. Und heute morgen, gegen Morgengrauen, schließlich Dean Swift höchstpersönlich.“
Jolson setzte sich auf. „Der Chef des Kriegsministeriums wird vermißt?“
„Bisher haben die Nachrichtenmedien noch keinen Wind davon bekommen. Ich erzähle es Ihnen als erstem, Jolson. Swift wurde zuletzt in der Nordecke seines Rosengartens gesehen. Er ist ein großer Rosenliebhaber.“
„Ich habe eine Dokumentation darüber gesehen“, sagte Jolson.
„Also. Ihr vom Amt für Politische Spionage habt das Chamäleonkorps eingeschaltet, weil diese Personen verschwunden sind?“
„Ja“, sagte Chef Mickens nickend. Er wickelte eine blaugoldene Schnappsei aus und warf die Folie in das Müll-Ex-Loch neben seinem Schreibtisch. „Da haben wir
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