Das Chamäleon-Korps
wieder einmal eine hochexplosive Lage. Es muß ja wohl nicht erst erwähnt werden, daß unser Barnum-Planetensystem sich nicht noch eine Friedenspanik leisten kann.“
„Sie verdächtigen Pazifisten?“
Der Chef steckte einen Daumen ins Ohr und machte eine halbe Drehung mit seiner Handfläche. „Was das nackte Tatsachenmaterial angeht, haben wir verdammt wenig, worauf wir uns stützen können. Ich will ja zugeben, daß das Amt für Politische Spionage dazu tendiert, überall Pazifisten zu wittern. Wie Sie bereits wissen, gibt es eine wachsende Unzufriedenheit wegen der Art und Weise, wie das Kriegsministerium bei der Annexion der terranischen Planeten vorgegangen ist.“
„Besonders, als man North Dakota vernichtet hat.“
„Ach, ein einziger winziger Staat!“ Der Chef steckte die Schnappsei in den Mund. „Jedenfalls müssen Sie eines zugeben, Jolson: Wenn Leute in Schlüsselpositionen im Kriegsministerium und seinen Außenstellen verschwinden, liegt der Verdacht nahe, daß Pazifisten dahinterstecken.“
Jolson fragte: „Wer war denn der alte Mann in den Filmen?“
„Leonard F. Gabney“, sagte der Chef. Er klopfte mit gespreizten Fingern auf die Schreibtischplatte. „Eigentlich müßte ich noch was anderes einnehmen – gegen die Nebenwirkungen.“
Jolson beugte sich vor und hob eine Pillenrolle von dem pfirsichfarbenen Teppich auf. „Diese hier?“ fragte er und warf sie dem Chef zu.
„Hoffen wir’s. Also, was Gabney angeht, Jolson. Er selbst ist nicht weiter wichtig, nur ein alter Herr, den Sie für uns nachahmen werden. Er spielt eine große Rolle in der Telekineseindustrie hier auf Barnum, und während Sie seine Identität benutzen, wird er außer Sichtweite bleiben. Aber Sie werden sowieso Schlafinstruktionen über ihn, den Hintergrund und so weiter erhalten. Kommen wir zum eigentlichen Auftrag.“ Chef Mickens riß eine Pille von der Rolle ab. „Der wichtige Mann bei dieser Angelegenheit ist Wilson A. S. Kimbrough.“
Jolson schüttelte den Kopf und sagte: „Moment mal! Kimbrough ist doch der Botschafter auf dem Planeten Esperanza, oder?“
„Ja, er leitet dort in der Hauptstadt die Botschaft von Barnum.“ Der Chef legte seinen Körper ein wenig schräg und zwinkerte Jolson zu.
„Ich will nicht nach Esperanza.“
„Sie wollen nicht?“ fragte der Chef. „Sie müssen, Jolson. Einmal im Chamäleonkorps, immer im Chamäleonkorps. Auch wenn Sie jetzt nur noch zeitweise aktiv sind, müssen Sie doch die Pflicht vor das Geschäft stellen. Außerdem könnten wir Ihnen eine Vertragsstrafe aufbrummen und Ihnen die Hypothek für Ihre Keramikfabrik streichen.“
„Esperanza wird mich völlig durcheinander bringen“, sagte Jolson und sackte wieder auf seinem Stuhl zusammen.
„Irgendwo muß man die Leute ja schließlich begraben, Jolson.“
„Aber ein ganzer Planet, der nur aus Friedhöfen besteht!“ sagte Jolson.
„Es gibt ein paar Millionen Leute auf Esperanza“, sagte ihm Chef Mickens, „lebendige Leute, die dort leben. Ganz zu schweigen von, lassen Sie mich nachsehen, eineinhalb Millionen Touristen im Jahr und über einer halben Million Trauergästen.“ Er wedelte mit einer Tabelle.
Jolson schaute in die andere Richtung. „Der ganze verdammte Planet stinkt wie eine Friedhofsgärtnerei.“
„Wahrscheinlich brauchen Sie überhaupt nicht auf irgendeinen Friedhof zu gehen und auch nicht an Kränzen zu schnuppern“, sagte der Chef des Amts für Politische Spionage. „Ich werde Ihnen Ihren Auftrag beschreiben, Jolson. Wie wir aus Informationen wissen, die wir von unserem weitverzweigten Netz von APS-Agenten bekommen haben, besteht die Möglichkeit, daß Botschafter Kimbrough mit dieser Welle von Entführungen zu tun hat. Admiral Rockisle befand sich übrigens sogar auf Esperanza, um dort am Grab des Unbekannten Soldaten einen Kranz niederzulegen, als er verschwand.“
„Und Botschafter Kimbrough hat etwas damit zu tun, eh?“
„Das ist eine der zahlreichen Spuren, denen wir nachgehen müssen“, sagte Chef Mickens. „Sollte Kimbrough ein schwaches Bindeglied sein, dann wollen wir daran knabbern. Ab der nächsten Woche macht er bei der Nepenthe, Inc. außerhalb von Esperanza City Urlaub.“
„Nepenthe, Inc. – das ist doch dieser Verjüngungsbadeort für alte Wirtschaftsbosse, nicht?“
„Eine Art Zufluchtsort und Rehabilitationszentrum für müde Industriemagnaten und Politiker, ja. Zum größten Teil ältere Herren von achtzig, neunzig Jahren“, sagte Mickens.
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