Das Chamäleon-Korps
Gesellschaft so gut entlarven kann.
Goulart: Oh, gewiß. Meine liebste Art von Büchern sind – und die können auch äußerst heimtückisch sein – die Schelmenromane. Mein erstes Buch, dem jemals jemand Beachtung geschenkt hat, war After Things Fell Apart (Als alles zusammenfiel) – wobei der Titel übrigens von Terry Carr stammt, doch ich habe mich sehr daran gewöhnt –, und es hat mir eine Edgar-Nominierung der Mystery Writers of America eingebracht. Es bestehen große Ähnlichkeiten zwischen dem Schelmen- und dem Kriminalroman, denn in beiden hastet ein Bursche von Ort zu Ort und besteht verschiedene Abenteuer, nur sind sie im Kriminalroman locker aneinandergereiht, weil der Detektiv nach dem Mörder oder dem Malteser Falken sucht. Ich sprach darüber im Zusammenhang mit dem Erfolg von Logan’s Run (Flucht ins 23. Jahrhundert) mit Bill Nolan, und er wies darauf hin, daß Max Brand solche Bücher mit einem, wie er dies nannte, Zitadellen-Plot schrieb. Man gelangt zur Festung des Bösewichts. Das ist wie bei einem Gerücht: Der Weg dorthin ist schon der halbe Spaß. In meinen Büchern ist es der ganze Spaß. Darin besteht auch die Gefahr in After Things Fell Apart. Wenn man erst einmal beim Bösewicht gelandet ist, sagt man „Na und?“. Aber das trifft bei den meisten Krimis zu. Das Denoument ist immer enttäuschend, weil es, insbesondere bei Raymond Chandler, so spannend war bis zu dem Punkt, wo man sagt: „Der ist es!“ Der Leser sagt sich: „Na schön.“ Irgendwie ist dann die Luft raus. Deshalb habe ich auch versucht, die Plots zu variieren. Aber im großen und ganzen gefällt mir immer noch der Plot am besten, wo einer irgendwohin muß, um eine Aufgabe in einer interessanten Landschaft oder Gesellschaft zu erfüllen. Wenn seine Aufgabe gefährlich oder heikel oder beides ist oder wenn man versucht, ihn umzubringen, kann das nur noch besser sein. Ich schrieb vor ein paar Jahren ein anderes Buch mit dem Titel Wildesmith, das Cowboy Heaven ähnelt. Es ging um einen Androiden-Schriftsteller, in den jemand eine Bombe eingebaut hatte, um einen anderen zu ermorden. So steht der Held vor zwei Problemen: Er mußte den Anschein wahren, eine reale Person zu sein, und gleichzeitig die Explosion verhindern. Die Mechanismen von Spannung und Rätsel faszinieren mich in starkem Maße, so daß ich sie gerne mit der Science Fiction vermische, auch wenn ich damit schon Herausgeber verärgert habe. Asimov verfährt so, und Fredric Brown hat das in der Vergangenheit auch gemacht, daß er nämlich SF-Kriminalgeschichten oder Krimis mit phantastischen Elementen geschrieben hat. Andrerseits ist das etwas unfair gegenüber dem Leser, weshalb wohl in gewissen Kreisen auch Unmut aufgekommen ist.
Schweitzer: Ein Krimi mit phantastischen Elementen müßte teuflisch schwer zu machen sein, aber ein SF-Krimi dürfte meiner Meinung nach nicht allzu schwierig sein, solange man seine Prämissen von vornherein klarlegt und nicht plötzlich durch die vierte Dimension in einen verschlossenen Raum gelangt. Sind Sie auch dieser Meinung, Mister Goulart?
Goulart: So etwas habe ich niemals gemacht. Ich habe mich stets an die Spielregeln gehalten, aber manchmal habe ich den Eindruck, daß es einen gewissen Lesertypus gibt, der will, daß ein Krimi ein Krimi und ein SF-Roman ein SF-Roman bleibt und aus gewissen Zutaten besteht. Natürlich war ich immer versucht, gegen den Strom anzuschwimmen, und wenn ich den Eindruck gewinne, daß sich jemand über etwas ärgert – wissen Sie, wie ein Kind, das sagt: „Hör auf damit!“ –, so reizt mich das um so mehr, damit fortzufahren. Ich sehe meine Bücher genauso kritisch, glaube ich, wie die Kritiker oder Verleger. Ich glaube schon, daß ich mich auf einem festen Gleis bewege, und bin eigentlich nicht besonders glücklich darüber – andererseits bleibt man an der Form kleben, die man einmal für sich entdeckt hat. Ich meine, daß Cowboy Heaven das beste Buch ist, das ich im Verlauf mehrerer Jahre geschrieben habe, denn es erfüllt das, was ich vorhatte, nämlich, daß es Spaß macht. Es liegt ihm eine meiner Ansicht nach gute Idee zugrunde, nämlich der Plot, John Wayne am Leben zu halten. Ausgerechnet in der Woche, als das Buch herauskam, lag er im Krankenhaus im Sterben. Ich suchte nach einer geschmackvollen Möglichkeit, daran mit der Werbung anzuknüpfen, aber es fiel mir nichts Entsprechendes ein.
Schweitzer: Insbesondere, da er ja, wenn ich recht unterrichtet bin,
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