Das Chamäleon-Korps
einen Ron Goulart“, so wie man eine Zuckerstange oder so etwas verlangt. Diesen Status habe ich, zumindest über die Grenzen der Science Fiction hinaus, noch nicht erreicht.
Schweitzer: Lundwall meinte auch, Sie seien zu einem eigenen Genre geworden.
Goulart (lacht): Ja, ich glaube allerdings nicht, daß er das unbedingt positiv bewertet hat. Keiner schreibt ein Ron-Goulart-Buch so wie ich. Das mag wohl stimmen. Aber jemand sagte mir einmal, er hätte zwei gelesen, die den Eindruck machten, als seien sie von mir inspiriert gewesen. Ich kann es nicht beurteilen, ich habe sie nicht gelesen.
Schweitzer: Könnten Sie die Werbemethoden nutzen und zu etwas Positivem verkehren?
Goulart: Vermutlich. Das Problem auf dieser Stufe besteht darin, daß man als Freischaffender gleichzeitig auf mehreren Zeitebenen lebt. Man denkt über das Buch nach, das im letzten Monat herauskam, jenes, das nächstes Jahr herauskommen soll, jenes, an dem man gerade arbeitet und für das man einen Vertrag hat, und jenes andere, das man verkaufen will. Es ist sehr schwierig, sich darauf zu konzentrieren, in der Gegenwart zu leben, was jedoch sehr wesentlich ist. Wenn ein Buch also erst einmal herauskommt – wenn es ausgeschlüpft ist –, wirft man es aus dem Nest und legt ein paar neue Eier. Ich hatte nicht die Zeit oder das Organisationstalent, um zu sagen, so, jetzt höre ich auf und mache mit Cowboy Heaven eine Tournee durch das Land oder dieses und jenes. Ich würde gern mehr Folgearbeit leisten, selbst auf eigene Rechnung. Lieber würde ich es natürlich mit der Finanzierung durch einen Verleger tun. Auch heute wird das durchschnittliche SF-Buch noch nicht durch Werbeaktionen gefördert. Dies geschieht nur bei den Titeln, von denen die Verlage sich den größten Profit versprechen.
Schweitzer: Würden Sie es für möglich halten, für eines Ihrer Bücher außerhalb der SF Reklame zu machen und es in einen Bestseller zu verwandeln?
Goulart: Oh, gewiß. Das wäre zu schaffen. Ich weiß nicht, ob es jemand irgendwann einmal versuchen wird. Die meisten Leute, mit denen ich befreundet oder bekannt bin, lesen überhaupt keine Science Fiction. Punktum. Es ist so, als ob einer kein Rauschgift nimmt oder nicht trinkt. Ab und zu treffe ich dann einen, der sich in dem Maße für die Tatsache interessiert, daß ich Schriftsteller bin, daß er tatsächlich hingeht, sich ein Buch von mir kauft und das verdammte Ding liest. Der sagt dann stets: „He, das gefällt mir, aber Science Fiction mag ich nicht.“ Das bedeutet einfach: Wenn man hunderttausend Leute, die nicht SF-Anhänger sind, dazu bringt, das Buch zu lesen, mögen sie es vielleicht. Das träfe auf eine Menge SF-Bücher zu, nicht bloß auf meine. Derjenige, der meiner Ansicht nach in Amerika schon immer ein Autor mit großen Auflagen hätte sein müssen, ist Phil Dick, doch das ist er leider noch nicht. Er müßte die gleiche Stellung wie Vonnegut einnehmen, denn er ist genauso gut, aber irgendwie ist er niemals über die Kategorie hinausgekommen. In diesem Fall schadet die Etikettierung. Auf der anderen Seite kann sie auch nützlich sein. Sie unterstützt den Verkauf dieser Bücher in den Buchhandlungen, insbesondere bei Hardcovers wie Cowboy Heaven. Wäre der Roman als normale Belletristik herausgekommen, würden vielleicht acht Exemplare verkauft, selbst wenn dafür geworben würde. Das ist immer ein Glücksspiel. Ein Roman, der keiner Kategorie zugeordnet ist, kann einfach vergessen werden, und niemand bekommt ihn mehr zu Gesicht.
Schweitzer: Dick hatte oft die falschen Verleger. Das Resultat waren irgendwelche obskuren Taschenbuchausgaben, die man ausverkauft hat, und dann war Schluß.
Goulart: Ich kann mich an die erste Kritik erinnern, die er nach dem Erscheinen von The Man in the High Castle (Das Orakel vom Berge) erhielt. Die San Francisco Cronicle widmete ihm eine ganze Seite, und die Leute waren ganz begeistert. Irgendwie hätte ihn das über seine Position hinaustragen müssen. Vermutlich tat es das auch für eine Weile, doch es mangelte an Kontinuität. Ich habe den Eindruck, daß ich dieses Stadium auch bei einem allgemeineren Publikum erreicht habe.
Schweitzer: Halten Sie es für ein Problem, daß das breiteste Publikum auch das Publikum mit dem niedrigsten gemeinsamen Nenner darstellt und Sie wirklich nicht dafür schreiben wollen?“
Goulart: Nicht unbedingt, wenn man John Cheever auf Platz eins oder zwei der Bestsellerliste
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