Das Chamäleon-Korps
Öffentlichkeit ihm zuviel und einem selbst zuwenig Aufmerksamkeit schenkt. Das ist das Klagelied des Bruders. Ich will nicht behaupten, daß ich bei einem solchen Projekt nicht mitarbeiten würde, wenn man mir genug böte. Ich habe viele verschiedenartige Bücher verfaßt. Ich stelle mich nicht über die Möglichkeit, etwas nur um eines Haufen Geldes willen zu machen. Nicht daß ich in dieser Hinsicht zu kämpfen hätte, aber es ist ungefähr so, als stünde man im Vorgebirge und sähe das nächste Plateau. Ich habe noch nie ein Plateau erreicht, wo ich sagen würde, schön, hier lasse ich mich nieder. Ich schlage immer nur ein Übergangslager auf. Ich will immer eine Stufe höher hinaus. Genauso ist es in der Werbung. Es reizen einen immer die vielen Möglichkeiten. Man sagt sich, wenn ich es mit dieser oder jener Art Buch versuchte, könnte ich mein Einkommen vielleicht vervierfachen. Aber wesentlich wäre mir, ein Buch wie Cowboy Heaven zu nehmen und es zum Bestseller zu machen. Es ist immer leichter zu fragen: „Na, was wollen sie, und wie können wir ihnen mehr davon liefern?“ als zu fragen: „Was habe ich zu bieten?“ Die Leute, mit denen ich früher arbeitete, würden sagen: „Was hat das Produkt an sich, das wir hochspielen könnten?“ und nicht „Was will das Publikum, das zu bieten wir ihm versprechen könnten?“ Das sind zwei völlig verschiedene Dinge. Man kann sogar negative Aspekte herausstellen und sagen, unser Produkt ist das einzige, das Rattenhaar oder so etwas enthält – und wenn es Ihnen gelingt, die Leute glauben zu machen, daß sie gerade das brauchen, haben Sie es geschafft. Jetzt gibt es diese Produkte, von denen behauptet wird, chemische Zusätze seien gesund – sie würden Krebs heilen und so weiter-, in unserem sind aber mehr Zusätze als in allen anderen, und plötzlich wird das zu etwas Positivem. Unsere Strahlung ist gut für Sie.
Schweitzer: Wenn Sie nur Bücher schrieben, um den Lesern mehr von dem zu geben, was sie wollen – würde das mit der Zeit nicht ziemlich langweilig?
Goulart: Vermutlich schon … Aber was einen davor bewahrt, den Verstand zu verlieren, ist der Gedanke: Wenn man erst einmal zwei- oder dreihunderttausend Dollar pro Buch bekommt, muß man nicht mehr so viele Bücher schreiben. Man schreibt alle zwei Jahre eines und ändert sich mit der Mode. Vielleicht wollen sie dieses Jahr ein Buch nach Art von Stephen King, nächstes Jahr einen Robert Ludlum und danach irgendeine andere Leuchte. Wenn man sechs oder sieben pro Jahr schreiben müßte, würde man durchdrehen. Mein Ziel war es immer, einen Ron Goulart als Buchtyp zu schaffen, daß die Leute sagen: „Ich suche einen Ron Goulart“, so wie man eine Zuckerstange oder so etwas verlangt. Diesen Status habe ich, zumindest über die Grenzen der Science Fiction hinaus, noch nicht erreicht.
Schweitzer: Lundwall meinte auch, Sie seien zu einem eigenen Genre geworden.
Goulart (lacht): Ja, ich glaube allerdings nicht, daß er das unbedingt positiv bewertet hat. Keiner schreibt ein Ron-Goulart-Buch so wie ich. Das mag wohl stimmen. Aber jemand sagte mir einmal, er hätte zwei gelesen, die den Eindruck machten, als seien sie von mir inspiriert gewesen. Ich kann es nicht beurteilen, ich habe sie nicht gelesen.
Schweitzer: Könnten Sie die Werbemethoden nutzen und zu etwas Positivem verkehren?
Goulart: Vermutlich. Das Problem auf dieser Stufe besteht darin, daß man als Freischaffender gleichzeitig auf mehreren Zeitebenen lebt. Man denkt über das Buch nach, das im letzten Monat herauskam, jenes, das nächstes Jahr herauskommen soll, jenes, an dem man gerade arbeitet und für das man einen Vertrag hat, und jenes andere, das man verkaufen will. Es ist sehr schwierig, sich
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