Das Chamäleon-Korps
Kompromisse einzugehen oder Zeug für die Massenmedien zu schreiben. Schauen Sie, jeder Schriftsteller auf der Welt glaubt, ein breiteres Publikum erreichen zu können. Auch Harold Robbins müßte das gelingen, wenn er etwas anderes zu bieten hätte als er nun mal hat. Nach meiner Erfahrung – ich habe in Playboy und Penthouse und anderen Magazinen veröffentlicht – spricht meine Art von Science Fiction ein breiteres Publikum an, wenn es nur mit meinen Stories konfrontiert wird. Sie kann ein breitestes Publikum zufriedenstellen.
Schweitzer: Hatten Sie jemals direkten Kontakt zur Werbebranche des Verlagswesens?“
Goulart: In allen großen Verlagen ist es so knifflig und labyrinthhaft, daß manchmal nicht einmal der eigene Herausgeber weiß, was mit dem Buch geschehen wird. Manche Herausgeber haben keine Ahnung, wie der Umschlag aussehen wird; es ist eine so weitverzweigte Teamarbeit, daß es einem geschehen kann, daß man an der Rezeption seines Verlages nach dem zuständigen Herausgeber fragt und die Leute am Schreibtisch nicht einmal wissen, um wen es sich handelt. In den meisten Fällen fehlt es an jeglichem Sinn für Koordination, einfach weil keine Zeit zur Koordination vorhanden ist. Man wirft die Produkte auf den Markt und hofft das Beste. Ein Grund, warum die Autoren zu Fantreffen fahren und für Fan-Magazine schreiben, ist, daß sie sich irgendwie hervortun müssen. Vor mir steht das Bild, wie diese Bücher aus der Druckerei kommen und direkt in eine endlose tiefe Grube irgendwo verfrachtet werden. Jeder strampelt sich ab, um eine kleine Weile aus der Grube herauszuklettern, ich genauso wie alle anderen.
Schweitzer: Wenn Lundwall behaupten kann, daß Sie ein eigenes Genre darstellen, muß das wohl so sein, und das ist doch ein Kompliment. Um nun zu Ihrem – wie ich meine, sehr treffenden – Bild zurückzukommen, glauben Sie, daß Sie den Aufstieg aus der Grube geschafft haben?
Goulart: Nein. Meine positivste Vorstellung ist, daß ich mit meinem Buch zwischen den Zähnen am Rande der Grube hänge und versuche, mich aus dem Loch zu hieven, aber unten zerren einem Leute an den Beinen, und oben treten sie einem auf die Hände. Na ja, meine Sachen sind heute sicher bekannter als vor zehn oder fünfzehn Jahren, aber ich habe seither auch einen verdammten Haufen geschrieben. In bezug auf Romane war ich eine Jungfrau bis zum Alter von fünfunddreißig. Ich hatte ursprünglich wirklich vor, der letzte Kurzgeschichtenautor Amerikas zu werden, der von seiner Arbeit leben kann, aber es wollte mir einfach nicht gelingen. Deshalb habe ich den Eindruck, daß ich bei Romanen immer noch etwas lernen kann. Ich habe meinen Höhepunkt noch nicht erreicht. Ich habe eine Menge Romane geschrieben im Laufe der letzten zehn Jahre. Ich mag nicht mehr so lange warten, um eine internationale Berühmtheit zu werden, aber ich werde in fünf bis zehn Jahren auf jeden Fall besser sein als jetzt.
Schweitzer: Wäre es möglich, einen komischen Roman über die Buchherstellung und die Grube zu schreiben?
Goulart: Ich habe mir darüber schon Gedanken gemacht. Ich habe gerade ein Buch über den Comic-Markt und alles, was im Kern und drum herum dazugehört, in Arbeit. Aber bislang sind die einzigen Sachen, die ich über die Literaturszene verfaßt habe, meine gelegentlichen Beiträge für The Magazine of Fantasy & Science Fiction über den freien Schriftsteller Jose Silvera, wo auf phantastische und neurotische Weise alle Widrigkeiten des Freischaffenden entworfen werden. Das schönste an Silvera ist, daß er stark und kräftig und einen Meter vierundachtzig groß ist und alle zusammenschlägt, die ihn
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