Das Chamäleon-Korps
der Stuhl. „Ich erkenne das Wandgemälde dort. Wir sind wieder auf der richtigen Spur.“
Das Wandgemälde war in schwach leuchtenden Farben auf schwarzem Faststoff aufgetragen, und es bestand aus einer Montage der bekannteren Grabmale. Jolson erschauerte und sagte: „Morbide. Der ganze Planet ist morbide.“
„Manchmal meine ich das auch“, sagte der Stuhl. „Aber wenn Sie glauben, das hier sei schlimm, dann sollten Sie erst einmal auf den Friedhöfen selbst arbeiten. Ich habe da zehn Jahre lang als Reiseleiter Touristen herumgefahren. Es ist natürlich blödsinnig für eine Maschine, abergläubisch zu sein, aber da draußen habe ich immer einen Riesenbammel bekommen. Für mich bedeutet das Pech, wenn man über ein Grab schreitet oder, in meinem Fall, rollt.“
„Ich bin hier auf deinen verdammten Planeten gekommen, um mich um meine Gesundheit zu kümmern“, sagte Jolson. „Ich habe nicht vor, auch nur einen einzigen verdammten Friedhof aufzusuchen.“
„Man weiß ja nie, wo man hinkommt“, sagte der Stuhl. „Na ja, lassen Sie sich nicht durch mein Gerede aus der Fassung bringen. Wenn man zehn Jahre auf einem Friedhof verbringt, dann wird man eben etwas nachdenklich. Dort ist Korridor vierzehn. Sehen Sie, ich habe Ihnen doch gesagt, daß wir es finden würden.“
„Mein Schiff ist schon vor über einer Stunde gelandet“, beschwerte sich Jolson. „Vor über einer Stunde!“
Der Rollstuhl blieb vor einem niedrigen Metallschalter stehen und enthakte den Gurt. „Drüben auf dem Friedhof konnte ich mich immer an der Sonne und an Landschaftsmerkmalen orientieren, nach Nachteinbruch auch an den Fixsternen. Bei all diesen Korridoren hier verliert man einfach die Orientierung. Hat mich gefreut, Ihnen behilflich zu sein, Mr. Grobney.“
„Gabney, Leonard F. Gabney, du impertinente Maschine!“ Jolson stand auf, zupfte seinen modrigen Anzug zurecht und schritt zu dem Schalter hinüber, an dem ein Schild mit der Aufschrift ‚Besucherempfang: DAV-HOB’ hing. Er klopfte energisch mit einer knorpligen Hand auf den Schalter.
„So, jetzt muß ich irgendwie zurück zum Ausgang AA kommen“, sagte der davonrollende Stuhl.
„Nun?“ fragte Jolson und wiederholte sein Klopfen.
Ein Monitorauge an der Decke richtete sich auf ihn. Der Lautsprecher daneben sagte: „Immer mit der Ruhe, Opa! Wie heißen Sie?“
„Mich kennt jeder. Ich bin Leonard F. Gabney, und ich habe das Gefühl, daß ich jetzt langsam genug Zeit in diesem überheizten Labyrinth verbracht habe.“
„Immer mit der Ruhe, Opa! Alle ankommenden Passagiere mit Anfangsbuchstaben G werden ausnahmsweise auf Level zwei abgefertigt. Gehen Sie diesen Korridor bis zum Ende hinab. Die Rampe wird Sie dann nach oben befördern.“
Jolson schnaubte: „Nicht nur morbide, sondern auch noch uneffizient.“
„Immer mit der Ruhe, Opa!“
Auf der emporsteigenden Rampe hakte sich ein magerer junger Mann mit blondem Lockenhaar bei Jolson unter. „Sind Sie auch ein G-Mann?“
„Ich bin Leonard F. Gabney, Sie junger Welpe, und nun hören Sie auf, an mir herumzufummeln!“
„Hören Sie, ich will nicht irgendwas Abartiges machen“, sagte der junge Mann. „Nein, Sir. Sie sind doch der Telekinesekönig, nicht wahr, Mr. Gabney? Ich bin Peter Terraloma Gooden, Heimatplanet Erde. Im Erdsystem. Vielleicht haben Sie von meinem Planeten gehört, Sir?“
„Er gehört mir zu einem großen Teil“, sagte Jolson. „Jetzt wickeln Sie sich mal frei von mir!“
„Sie sahen so aus, als könnten Sie’s brauchen“, sagte Gooden. „Ich will ja nur behilflich sein. Heutzutage laufen viel zu viele junge Leute schäbig herum, haben eine große Klappe und ignorieren unsere Oldtimer-Mitbürger. Ich bin der Meinung, daß man
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