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Das Christentum: Was man wirklich wissen muss (German Edition)

Das Christentum: Was man wirklich wissen muss (German Edition)

Titel: Das Christentum: Was man wirklich wissen muss (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Nürnberger
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fast unendlich langsam, und unter Mühen wächst im Verborgenen die erste Parallelgesellschaft der Welt heran.
    Es wird nicht das letzte Mal sein, dass uns dieses Unfruchtbarkeitsmotiv begegnet. Auch Hanna, die Mutter jenes Propheten Samuel, der David zum König machen wird, kann erst gebären, nachdem sie, wie Rebekka, Gott ausdrücklich darum gebeten hatte, ihr zu helfen. Noch einmal stoßen wir bei Elisabeth, der Mutter Johannes des Täufers, auf dieses Motiv.
    Die Erzähler wollen damit die Treue Gottes zu seinem Volk schildern. In Abraham hat Gott den Punkt gefunden, an dem er die Welt aus den Angeln zu heben gedenkt, und nun lässt er nicht mehr locker. Was er tun muss, um sein Projekt voranzutreiben, tut er und wird es immer weiter tun.
    Es verbirgt sich hinter diesem Unfruchtbarkeitsmotiv aber auch eine Parallele zur Beschneidung der Männer. So, wie Gott die Herrschaft über das Symbol männlicher Macht beansprucht, so beansprucht er auch die Herrschaft über die Gebärmutter, das Symbol weiblicher Macht. Gott will Herr sein über alles.
    Nebenbei nutzt er diese Macht, um wieder einmal den Schwachen zu helfen. Dem Patriarchen keinen Erben gebären zu können, war damals ein hartes Schicksal für eine Frau. Unfruchtbare Frauen waren dem Gespött und der Verachtung ihrer Umwelt ausgesetzt. Ihnen gilt Gottes Sympathie. Ihnen kommt Gott zu Hilfe. Und kritisiert damit gleichzeitig die patriarchalische Unsitte, den Wert einer Frau nach der Zahl ihrer geborenen Söhne zu bemessen. Und auch das heidnische Bohei um die Fruchtbarkeit wird hier in ersten Ansätzen in Frage gestellt. Die Fruchtbarkeit lasst meine Sorge sein, sagt Gott, kümmert euch um den Aufbau des Reiches Gottes. Seht zu, dass ihr euren Glauben an eure Kinder weitergebt, denn meine Sache muss weitergehen.
    Der stärkste Grund für das Unfruchtbarkeitsmotiv liegt aber im Staunen Israels über seine eigene Existenz. Wir sind nicht «made in Israel», sondern «made in Heaven».  11 Etwas zutiefst Unwahrscheinliches ist geschehen: Gott hat sich ein Volk erwählt. Uns. Ausgerechnet uns! Und er hat einen Plan mit uns und der Welt. Nun soll alles gut werden.
    Hätte den theologischen Schriftstellern damals schon die Evolutionstheorie zur Verfügung gestanden, hätten sie das Unwahrscheinliche dieser Geschichte vielleicht mit der Entwicklung des Lebens verglichen. Trilliarden und Abertrilliarden Versuche der Natur hatte es im Lauf von Milliarden Jahren bedurft, bis aus toten Elementen anorganische Verbindungen entstanden, und aus diesen organische und schließlich die erste Zelle des Lebens. Wie oft wohl war die Natur ganz nah dran am Gelingen, wie oft ist sie an dummen Zufällen immer wieder gescheitert, und wie viele Millionen Jahre mussten vergehen, bis der Durchbruch zum Leben tatsächlich zum ersten Mal gelang? Als diese revolutionär neue Erfindung der Natur einmal in der Welt war, als das Wissen über den Bau der Zelle aus einfachen Substanzen für immer in der DNS gespeichert war, konnte das Leben auf der Erde beginnen. Langsam. Unter Mühen. Und mit vielen Rückschlägen und Katastrophen. Und doch ist es gewaltig vorangekommen.
    Und nun der Versuch Gottes, sein wichtigstes Geschöpf, den Menschen, sich ihm anzuverwandeln, auf die nächste Stufe der Evolution zu hieven, indem er ihm hilft, sein tierisches Erbe abzustreifen. Auch dass muss dauern. Wird mühselig werden. Und durch zahlreiche Rückschläge immer wieder auf die Anfänge zurückgeworfen werden. Doch der Code, nach dem dieses Reich Gottes gebaut werden soll, ist seit Abraham in der Welt.
    Aber steckt nicht menschliche Hybris in der Idee, als ganzes Volk von Gott erwählt zu sein? Steckt nicht ein gefährlich nationalistischer Größenwahn hinter der Vorstellung, am israelischen Wesen solle die Welt genesen?
    Es ist ja nicht das israelische Wesen, an dem wir genesen sollen, sondern an Gottes Wesen sollen wir genesen. Dieses aber soll für uns sichtbar und begreifbar werden durch Israel, Gottes Volk. Es genügt diesem Gott nicht, dass die Menschen ihn denken können, dass sie eine Idee von ihm mit sich herumtragen, sich den Kopf über ihn zerbrechen und mehr oder weniger kluge Gedanken äußern. Dieser Gott will, dass sich sein Wille auf dieser Welt sichtbar, spürbar und ganz materiell manifestiert. Wo er herrscht, muss sich die Struktur der Wirklichkeit bis ins Materielle hinein verändern. Wie anders soll das gehen als durch ein Volk von Menschen, das in die Hände spuckt und die Welt

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