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Das Christentum: Was man wirklich wissen muss (German Edition)

Das Christentum: Was man wirklich wissen muss (German Edition)

Titel: Das Christentum: Was man wirklich wissen muss (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Nürnberger
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umpflügt? Daher liefert dieses Erwähltsein nicht die Spur eines Anlasses für nationalistische Arroganz, sondern nur den Grund für Mühsal und Plage und immerwährenden Ärger mit dem Rest der Welt.
    Im Übrigen hat das alttestamentarische Volk der Israeliten über dieses merkwürdige Erwähltsein selber und früher nachgedacht als die anderen Völker, denn wer erwählt wird, fragt sich ganz von selbst: Wieso ausgerechnet ich? Was habe ich den anderen voraus? Entsprechend fragte das Volk Israel aus seiner eigenen Mitte heraus: Warum gerade wir? Wie können wir den anderen begreiflich machen, dass Gott ausgerechnet mit uns die Welt verändern will? Wie können wir stur unserem Gott treu bleiben, die Götter der anderen Völker zu Götzen herabwürdigen, damit die religiösen Gefühle der anderen verletzen, die ganze Welt gegen uns aufbringen und trotzdem mit allen im Frieden leben?
    Die Antwort lautete: Indem wir betonen, dass wir aus dieser Ehre des Erwähltseins keinerlei Forderungen für uns ableiten und auch keine privilegierte Stellung innerhalb der Völkergemeinschaft beanspruchen. Wir verstehen ja selber nicht, warum Gott sich gerade uns ausgesucht hat, und sind sicher: bestimmt nicht wegen irgendwelcher besonderen Vorzüge. Wir kennen uns ziemlich gut und wissen daher durchaus, dass wir nicht besser, klüger, stärker oder moralisch höherstehend sind als die anderen. Im Gegenteil: Manchmal kommt es uns so vor, als habe Gott uns gerade deshalb ausgeguckt, weil er in uns die größte Ansammlung von Schwäche, Trägheit, Feigheit und Gewöhnlichkeit auf Erden erkannt hat. Und noch etwas: Nicht wir haben zuerst behauptet, erwählt zu sein. Gott hat es getan. Wir nehmen dieses Faktum nur erstaunt zur Kenntnis.
    Die erste biblische Geschichte, die etwas von diesem Problem und Israels Reflexion darüber ausdrückt, ist die Geschichte des dritten Erzvaters des Glaubens, und darum kommt nach Abraham und Isaak jetzt er ins Spiel, Jakob, wahrlich kein besonderer Held oder ein moralisches Vorbild für die Jugend. Jakob, der Gauner, ist man versucht zu sagen, und sein problematischer Charakter zeigt sich schon im Mutterleib. Da sind Zwillinge drin, Rebekka weiß es noch nicht, spürt nur, dass einiges los ist in ihrem Bauch, wendet sich beunruhigt an Gott, und dieser klärt sie auf: Zwei Völker sind in deinem Leibe, und zweierlei Leute werden sich scheiden aus deinem Leibe; und ein Volk wird dem andern überlegen sein, und der Ältere wird dem Jüngeren dienen . (1 Mose 25, 23)
    Jakob und Esau sind es, die schon vor ihrer Geburt gegeneinander kämpfen und die Mutter stressen, und als sie schließlich das Licht der Welt erblicken – zuerst Esau, dann Jakob –, hat sich Jakob in Esaus Ferse verkrallt. Zwei Brüder, wie sie unterschiedlicher nicht sein könnten – Esau war rötlich, ganz rau wie ein Fell, Jakob war ein sanfter Mann und blieb in seinen Hütten (1 Mose 25, 24   ff.) – wachsen nun heran. Der eine, Jakob, wird der Liebling der Mutter. Der andere, Esau, wird ein Jäger und der Liebling seines Vaters.
    Esau war als Erster da. Also steht ihm das Erstgeburtsrecht zu, das väterliche Erbe und der väterliche Segen. Aber am Ende wird sich Jakob das alles ertrickst haben. Mit dem Segen von höchster Stelle.
    Als Esau eines Abends müde und hungrig von der Jagd nach Hause kommt und Jakob gerade ein Linsengericht kocht, will Esau sich sofort über das Essen hermachen, aber Jakob nutzt die Situation aus und fordert Esau auf, ihm sein Erstgeburtsrecht zu verkaufen. Esau lässt sich darauf ein. Das Nächstliegende, die Stillung seines Hungers, ist ihm wichtiger als das Fernliegende.
    Isaak weiß allerdings bis zuletzt nichts von diesem Handel. Alt und blind macht er sich eines Tages zum Sterben bereit, ruft Esau und bittet ihn, ihm noch einmal ein Wildbret zu erlegen und so köstlich zuzubereiten, wie er es zeit seines Lebens immer so gerne gegessen hat. Danach wolle er Esau den väterlichen Segen erteilen. Esau tut, wie ihm geheißen, geht auf die Jagd, aber Rebekka, die alles mitgehört hat, entwickelt nun eine List, wie sie und Jakob Esau um den väterlichen Segen bringen können.
    Während Esau sich draußen an sein Wild heranpirscht, muss Jakob zwei Böcklein aus der väterlichen Herde schlachten, und Rebekka bereitet sie so zu, wie es Isaak immer geschmeckt hat. Dann streift sich Jakob Esaus Kleider über, umgibt seine Arme, Hände und den Hals mit dem Fell der geschlachteten Böcke, trägt das Essen zu

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