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Das Christentum: Was man wirklich wissen muss (German Edition)

Das Christentum: Was man wirklich wissen muss (German Edition)

Titel: Das Christentum: Was man wirklich wissen muss (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Nürnberger
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hofft, dass aufregende Dinge passieren und dass er aus Dialogen zwischen Gott und Mensch erfährt, worum es eigentlich geht. Aber das ist natürlich naiv.
    Unsere Erwartungen an eine gut erzählte Geschichte sind geprägt von europäischen Dramen, Tragödien und Komödien, der Literatur der letzten Jahrhunderte, von Romanen, Krimis, Comics, vom Fernsehen und vom Kino aus Hollywood. Eine Hollywood-Dramaturgie kann man von biblischen Geschichten nicht erwarten, und dass wir diese Geschichten auf Anhieb verstehen, auch nicht. Unter anderem deshalb fällt es den Pfarrern und Bischöfen so schwer, mit ihren alten Geschichten in der heutigen Welt Gehör zu finden und in den Schulen das Interesse der Kinder und Jugendlichen zu wecken.
    Unterhaltung war von allen denkbaren Zielen der Bibel das letzte. An die Möglichkeit, dass sich Jahrtausende später noch völlig anders geartete Menschen den Kopf zerbrechen über Geschichten, die den eigenen Zeitgenossen erzählt und irgendwann für die Enkel aufgeschrieben wurden, hatte damals niemand gedacht, und selbst wenn sie daran gedacht hätten, wären sie dennoch nicht in der Lage gewesen, uns ihre Geschichten so zu erzählen, dass wir sie voraussetzungslos verstehen.
    Erfahrungen sollten durch diese Geschichten weitergegeben werden, die im Lauf vieler Jahrhunderte gemachten Erfahrungen eines Volkes mit seinem Gott. Selbst wenn es sich bei diesem Gott von Anfang an nur um die kollektive Einbildung eines Volkes gehandelt hätte, um Erfindungen und Projektionen, wären diese Geschichten für uns Heutige interessant. Denn sie erzählen viel über das Wesen der Menschen, transportieren Wahrheiten über die Ursachen von Gewalt, Leid und Katastrophen.
    Die biblischen Geschichten vermitteln eine bestimmte Art und Weise, zu denken, an die Welt heranzugehen, sich von ihr ein Bild zu machen und gemäß diesem Bild in der Welt zu handeln. Sie prägten die Eigenart eines Volkes, das sich als von Gott berufen verstand, und bewirkten bei ihm ein Denken, Handeln und Verhalten, das die Weltgeschichte nachhaltig beeinflusste. Wer sich damit vertraut macht, versteht besser, wie wir wurden, was wir sind, im Guten und im Schlechten.
    Natürlich gibt es keinen einzigen Beweis für die Historizität der Abrahamsgeschichte. Nicht einmal die Existenz Abrahams ist gesichert. Dass Abraham wirklich einmal gelebt hat und mit der in der Bibel geschilderten Person identisch ist, kann nach dem heutigen Stand der Forschung weder belegt noch widerlegt werden.  9 Die meisten Theologen siedeln ihn zeitlich um das 18. Jahrhundert vor Christus an, denn mögen auch die handelnden Figuren eines Textes mythisch sein, so lässt sich dennoch aus zahlreichen Einzelheiten des Textes – der Art, wie die Figur agiert, spricht, ihren Beruf ausübt, aus den beschriebenen Riten, Sitten und Bräuchen, den eingestreuten Königs- und Völkernamen, geographischen Angaben, Landschaftsbeschreibungen – die Zeit abschätzen, in die die Erfinder des Mythos ihre Figur verpflanzt haben.
    Insbesondere die im syrischen Tell Hariri ausgegrabenen 25   000 Keilschrifttafeln, die den relativ kurzen Zeitraum zwischen 1810 und 1761 vor Christus abdecken, bestätigen die Beschreibung der Welt Abrahams in der Bibel. Selbst wenn Abraham eine rein literarische Fiktion wäre, so könnte man dennoch nicht ausschließen, dass es einen jüdisch-israelitischen Urahn gegeben hat, der selbst noch kein Jude war, vielleicht auch anders geheißen und eine andere Abstammung als Abraham hatte, aber ein Leben führte, das dem der literarischen Figur ähnlich war. Irgendeinen jüdischen «Erstling» muss es ja gegeben haben, und möglicherweise hat er Spuren und Erzählstoffe hinterlassen, aus denen die Abrahamsgeschichten wachsen konnten.
    Daher ist es nicht völlig abwegig zu vermuten: Die Geschichte der Juden, Christen und Muslime begann vor etwa 3800 Jahren in Mesopotamien. Aber was genau war es, das da begonnen hat? Bei den Geschichten, die davon erzählen, handelt es sich ja nicht um Berichte einer Historikerkommission, sondern weit überwiegend um Märchen, Sagen, Legenden, Mythen, Stammbäume, Gesetzessammlungen und Dichtungen.
    Vieles davon haben die Juden aus älteren Geschichten anderer Kulturen übernommen, variiert und mit eigenen Geschichten verschmolzen. Die Texte, die uns heute in der Bibel vorliegen, sind zu verschiedenen Zeiten an verschiedenen Orten entstanden, mündlich weitererzählt, gekürzt, erweitert, verändert und erst viel

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