Das Christentum: Was man wirklich wissen muss (German Edition)
handeln und leben müssen, damit diese Welt wieder heil wird. Eben dazu braucht Gott ein Volk.
Nur durch dieses Volk kann Gott in der Welt handeln und in die Geschichte eingreifen. Gott ist nicht von Natur aus und nicht von Anfang an allmächtig, denn er hat die Weltgeschichte an den freien menschlichen Willen geknüpft. Er will zwar, dass die Menschen nach seinem Willen handeln, aber sie sollen es freiwillig tun, aufgrund ihrer eigenen Einsicht. Tun sie es, dann ist Gott alles möglich, dann ist er allmächtig. Tun sie es nicht, ist Gott ohnmächtig.
Zunächst ist Gott ganz auf diesen einzigen Menschen angewiesen: Abraham. Der Theologe Gerhard Lohfink schreibt dazu:
Gerade die Tatsache, dass da einer ganz auf die Verheißung Gottes setzt, wird die Welt verändern … An einer Stelle der Welt wird nun Glaube eingeübt – nicht ein weltferner, weltentleerter Glaube, sondern Glaube, der mitten in den alltäglichen Verrichtungen und wirtschaftlichen Notwendigkeiten zu Hause ist und doch von einer unendlichen Verheißung lebt. 10
Abraham bedeutet für Gott so etwas wie jenen archimedischen Punkt, an dem er seinen Hebel ansetzen kann, um die Weltgeschichte so zu verändern, dass das Leben auf der Erde gelingen kann.
Alle weiteren Geschichten, die dem zwölften Kapitel der Bibel folgen, erzählen von dem Versuch, diese Idee Gottes in der Welt Realität werden zu lassen. Sie erzählen, wie das Gelingen des Versuchs immer am seidenen Faden hängt, immer kurz vor dem Scheitern ist, oft genug auch scheitert, aber dann von einem treu zu seinem Volk stehenden Gott immer wieder neu aufgegriffen und fortgesetzt wird. Sie erzählen, wie der uneinsichtige Mensch Gott immer wieder ins Handwerk pfuscht und so dazu beiträgt, dass sich der Versuch über Jahrtausende hinzieht und einfach nicht gelingen will.
Zwar wird aus Abraham tatsächlich noch ein Volk, und dieses Volk nimmt auch das Land Kanaan in Besitz, aber das dauert Jahrhunderte. Und kaum fühlt sich das Volk in Kanaan sicher, fängt es an, seinen Daseinszweck zu vergessen und beschwört die üblichen Katastrophen herauf. Gott in seiner Not erfindet sich Propheten, die das Volk an seine Aufgabe erinnern, aber nur wenige nehmen die Kritik der Propheten an. Und so geht das immer weiter, bis Jesus kommt und einen radikalen Neuanfang wagt – der auch wieder im Schlamassel endet.
Wer einen Ausweg sucht aus dem Schlamassel oder gar vorgibt, uns da herauszuführen, sollte einigermaßen genau den Weg kennen, der in ihn hineingeführt hat. Niemand muss diesen Menschen glauben, die vor mehreren Jahrtausenden gelebt haben. Niemand muss an Gott glauben und an Jesus oder an den Propheten Mohammed. Aber wer wissen will, wie wir wurden, was wir sind, und wer vermeiden will, dass wir immer wieder in dieselben Sackgassen zurückkehren, muss gedanklich den Weg nachgehen, der damals beschritten wurde und bis in unsere Gegenwart führt. Und dieser Weg beginnt bei Abraham.
JAKOB UND ESAU: VERSÖHNUNG MIT GOTTES AUSERWÄHLTEM VOLK
Mit Abraham ist ein Anfang gemacht. Von einem Punkt der Welt aus wird diese jetzt verändert. Der Anfang war klein, klein geht es weiter, und manches wiederholt sich. Das Thema Unfruchtbarkeit beispielsweise.
Hatte Gott nicht Abraham Nachkommen sonder Zahl versprochen? Gerade mal ein Sohn von der Hauptfrau und einer von der Nebenfrau waren Abrahams gesamte «Ausbeute». Als Sara tot ist und Abraham alt und ans Sterben denkt und darum die ihm noch verbleibende Zeit nutzt, um die Dinge zu ordnen, erteilt er seinem ältesten Knecht den Auftrag, für Isaak eine Frau zu suchen. Aber es darf keine aus dem fremden Land Kanaan sein, keine, die falsche Götter anbetet. Es muss eine aus der eigenen weitläufigen Verwandtschaft derer sein, die in der alten Heimat geblieben sind. Es muss eine sein, die bereit ist, die Heimat zu verlassen und in der Fremde jenem neuen Gott zu dienen, um dessentwillen schon Abraham seine Stadt verlassen hat. Aller Anfang ist schwer.
Der Knecht findet Rebekka, Bethuels Tochter, der ein Sohn der Milka war, welche Nahors, Abrahams Bruders, Weib war, und trug einen Krug auf ihrer Achsel. (1 Mose 24, 15) Rebekka wird die Frau Isaaks, dem Gott Nachkommen verheißen hat wie Sterne am Himmel (1 Mose 26, 4). Warum ist auch sie unfruchtbar? Warum muss Gott auch bei ihr dafür sorgen, dass sie schwanger wird und gebären kann? Wenigstens geht es diesmal etwas schneller, Rebekka muss nicht wie Sara erst zur Greisin werden. Und dennoch: Langsam,
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