Das Cottage im Wald
X-Beliebige.” Sean stand auf, und Carin wich ein Stück zurück. Auf keinen Fall sollte er merken, wie sehr sie sich nach ihm sehnte.
“Es gibt nichts Schlimmeres als Verwandte”, sagte er mürrisch. “Die mischen sich überall ein. Stephanie hat mir ja schon die Leviten gelesen.”
“Und damit hatte sie vollkommen recht, das weißt du. Aber wenn es dich beruhigt – über unser Verhältnis habe ich ihr nichts erzählt, obwohl wir, weiß Gott, keine normale Ehe führen. So langsam frage ich mich, warum ich dich überhaupt geheiratet habe.”
“Dafür hattest du bestimmt einen Grund, oder nicht?” Sean zog die Brauen hoch und wartete auf eine Antwort.
Carin kämpfte mit sich. Was sollte sie sagen? Dass sie Sean liebte, es jedoch nicht ertragen konnte, wie er sie behandelte? Würde er sie dann auslachen und ihr ins Gesicht sagen, dass sie eine Närrin sei und von Anfang an hätte wissen müssen, dass er sie niemals lieben würde? Sie schluckte hart. “Ich dachte, wir könnten Freunde sein”, sagte sie schließlich leise. “Ich hoffte, wir würden uns in anderen Dingen genauso gut verstehen wie im Bett. Aber so ist es leider nicht. Du verbringst die ganze Zeit mit deiner Arbeit, und ich bin mir selbst überlassen. Und wenn ich dir helfen will, weist du mich ab.”
“Dafür habe ich meine Gründe”, erwiderte Sean kühl. “Und jetzt versprich mir, dass du nicht mehr in der Weltgeschichte herumziehst, ohne dass ich weiß, wo du steckst.”
“Sag doch gleich, dass du mich am liebsten anketten würdest.”
“Aber, Carin, das ist doch Unsinn. Ich mache mir nur Sorgen um dich. Ich sehe ja ein, dass es nicht leicht für dich ist, hier zu leben. Du kennst niemanden, hast keine Freunde. Warum beschäftigst du dich nicht weiter mit dem Haus?”
“Weil ich dieses verdammte Haus hasse”, platzte sie heraus.
Das schien Sean zu überraschen, und er sah sie lange prüfend an. “Wenn das wahr ist, dann verkaufen wir es”, sagte er schließlich, “und ziehen irgendwo anders hin. Vielleicht in das Cottage, von dem du so schwärmst.”
Carins Augen begannen zu leuchten. “Ist das dein Ernst?”
“Ja, natürlich. Wenn es dich glücklich macht. Erkundige dich bei den Maklern, ob es zu verkaufen ist. Ich lasse dir freie Hand.”
Vor Freude wäre Carin Sean am liebsten um den Hals gefallen und hätte ihn geküsst, aber er war bereits zur Tür gegangen.
Ich werde dich nicht enttäuschen, dachte Carin, glücklich und entschlossen zugleich. Da fiel ihr etwas ein, und sie rief Sean zurück: “Du hast doch nicht vergessen, dass dein Bruder und Stephanie heute Abend kommen?”
Sean drehte sich um und zog die Stirn kraus. “Ach ja, stimmt. Ruf mich, wenn sie da sind. Ich bin in meinem Arbeitszimmer.”
Carin machte es riesigen Spaß, für alle zu kochen. Sie war froh, dass Mrs. Blake nicht hier war, denn so konnte sie in der Küche nach Belieben schalten und walten. Im Geiste sah sie schon das komplette Menü vor sich: eine in dünne Scheiben geschnittene, saftige Melone in Himbeersauce als Vorspeise, Kalbsmedaillons in Roquefort-Käsesauce als Hauptgericht und zum Schluss frischen Obstsalat als Dessert. Carin hatte alles sorgfältig vorbereitet, sodass sie sich nun in Ruhe an die Arbeit machen konnte.
Obgleich Sean sie gebeten hatte, ihn zu rufen, sobald die Gäste da wären, hörte Carin ihn schon lange vor der vereinbarten Zeit nach oben gehen. Kurz darauf erschien er frisch geduscht und umgezogen in der Küche. Die graue Hose, das blassblaue Seidenhemd und die blaugraue Krawatte standen ihm hervorragend. Der betörende Duft eines neuen Aftershaves drang Carin in die Nase, und sofort verspürte sie ein erregendes Kribbeln auf der Haut.
“Hier riecht’s aber gut”, bemerkte Sean anerkennend.
“Endlich habe ich mal Gelegenheit, selbst zu kochen”, sagte Carin vergnügt. “Es macht mir wirklich riesigen Spaß.”
“Willst du damit andeuten, dass Mrs. Blake überflüssig ist?”
“Nein, natürlich nicht”, versicherte Carin schnell, als sie den dunklen Schatten auf Seans Gesicht sah.
“Das will ich auch hoffen. Der Job gehört ihr, solange sie ihn braucht.”
Da läutete es an der Tür. Erleichtert über die willkommene Unterbrechung, öffnete Carin, um die Gäste zu begrüßen.
Bruce sah Sean nicht im Geringsten ähnlich. Carin hatte sich ihn ganz anders vorgestellt – mit schwarzem welligen Haar und kräftiger Gestalt so wie Sean. Stattdessen war er, obwohl ebenfalls hochgewachsen,
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