Das Cottage im Wald
jedoch.
“Mich hat sie auch angerufen”, gab Sean schmunzelnd zu. “Diese Frau weiß wirklich, wie sie einen zur Schnecke machen kann.”
Bei ihm kann Stephanie nie etwas falsch machen, dachte Carin. Wenn er mich doch nur auch so gern hätte wie sie. “Ich dachte, wir sollten sie und Bruce mal zum Dinner einladen. Das ist dir doch recht?”, schlug sie vorsichtig vor.
Sean nickte zustimmend. “Gute Idee. Wie wär’s mit morgen?”
Carin war verdutzt, dass er sofort einverstanden war, freute sich aber riesig.
Zum Abendessen gab es gegrilltes Hähnchen mit Zwiebel- und Salbeifüllung und dazu viel frisches Obst. Sean aß mit großem Appetit, war jedoch die ganze Zeit über sehr schweigsam und in sich gekehrt. Nachdem sie gegessen hatten, stand er auf und erklärte, er habe sich Arbeit mitgebracht und werde sich nun für den Rest des Abends in sein Arbeitszimmer zurückziehen.
Carin war enttäuscht. Sie hatte gehofft, Sean würde den Abend mit ihr verbringen. “Kann ich dir irgendwie helfen?”, erbot sie sich, und als Sean ablehnte, fühlte sie sich in ihrem Verdacht bestärkt, dass sein Interesse an ihr rein sexueller Art war.
“Kann ich wenigstens bei dir im Zimmer sein?”, bohrte sie weiter. “Ich bin ganz leise und störe dich bestimmt nicht.”
“Nein, Carin. Ich muss mich bei der Arbeit voll konzentrieren”, entgegnete Sean sichtlich nervös.
“Ich komme mir schon vor wie ein Vogel im goldenen Käfig.” Carin hatte die Worte nur leise vor sich hingesprochen, aber Sean hatte sie dennoch verstanden.
“Meinst du das ernst, Carin?”
“Ja”, erklärte sie bestimmt und hob trotzig das Kinn. “Merkst du denn nicht, dass ich hier wie eine Gefangene lebe? Ich soll den ganzen Tag zu Hause bleiben, aber wenn du heimkommst, willst du mich nicht sehen. Was soll das, Sean? Warum hast du mich geheiratet, wenn du im Grunde nichts von mir wissen willst?”
Er schloss die Augen und atmete tief durch. Als er Carin wieder ansah, war seine Miene ausdruckslos. “Ich habe dich geheiratet, weil …, weil ich dich brauche.”
“Ja, natürlich, und wie du mich brauchst”, spottete Carin. “Um deine sinnlichen Begierden zu befriedigen.”
“Und deine, vergiss das nicht”, entgegnete Sean scharf.
“Soll das etwa alles sein, worin unsere Ehe besteht? Reicht es dir, dass wir uns im Bett gut verstehen?”
“Es ist zumindest ein Anfang, oder wenigstens dachte ich, es sei einer.”
Carin verstand nicht, was Sean damit meinte. Er ließ ihr jedoch keine Zeit zum Nachdenken. “Dass es doch nicht reicht, habe ich erst später gemerkt”, gab er zu. “Du bist nicht das Mädchen, für das ich dich hielt, Carin.” Seans Züge waren hart, seine Augen dunkel, als er sprach. Dann schob er ohne ein weiteres Wort seinen Stuhl zurück, stand auf und verließ den Raum.
Carin hatte keine Ahnung, was das alles bedeuten sollte. Mit einemmal wurde ihr eiskalt. Zitternd saß sie auf dem Stuhl und rieb sich die Arme. Diese Ehe konnte einfach nicht gutgehen. Das wurde ihr mit jedem Tag klarer. Sean war ein viel schwierigerer und komplizierterer Mensch, als sie gedacht hatte. In hundert Jahren würde sie diesen Mann nicht verstehen.
Am nächsten Morgen holte Carin gemeinsam mit Stephanie den Schlüssel für das Cottage. Auf der Fahrt dorthin nutzte sie die Gelegenheit, um Stephanie und Bruce zum Dinner einzuladen. Stephanie sagte erfreut zu. “Bruce brennt förmlich darauf, dich kennenzulernen.”
Innen war das Cottage größer und geräumiger, als es von außen den Anschein hatte. Trotzdem wirkte die Wohnung gemütlich, und fast jedes Zimmer hatte einen offenen Kamin. Das Haus war noch vollständig möbliert, und Carin hatte vom Makler erfahren, dass die Frau, die hier gewohnt hatte, gestorben war und ihre Familie in Amerika lebte. Nun sollte es mit allem, was dazugehörte, verkauft werden.
Carin stellte sich vor, wie Sean hier als Junge gelebt hatte, wie er im Garten und am Fluss gespielt und sich, als er älter gewesen war, liebevoll um seine Schwester gekümmert hatte. Warum nur hatte er sich von Josie überreden lassen, dieses wundervolle Anwesen zu verkaufen? Es musste ihm sehr schwergefallen sein.
In diesem Augenblick wusste Carin, wie sie Sean beweisen konnte, dass sie ihn liebte. Sie würde dieses Cottage für ihn zurückgewinnen. Das war ihre einzige Chance.
Da Stephanie noch einen Termin beim Gynäkologen hatte, setzte sie Carin vor der Hauseinfahrt ab und fuhr dann gleich weiter.
Gutgelaunt und
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