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Das Dach kommt spaeter

Das Dach kommt spaeter

Titel: Das Dach kommt spaeter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Murat Topal
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angestammtes Jagdgebiet verlässt und die Wildnis erkundet. Gut, vielleicht hätte ich zwischendurch lieber auf mein Navi achten sollen, statt mich in meinen Groll hineinzusteigern. Aber wirklich schuld war natürlich wie immer meine Frau. Die davon wie immer nichts wissen wollte. Stattdessen bemerkte sie überflüssigerweise: »Du bist zu weit gefahren, da ging es vorhin rechts ab.«
    »Da war nix zum Abbiegen!«, patzte ich zurück. »Oder hast du was gesehen?«
    Hatte sie natürlich nicht. Aber sie würde sich eher die Zunge abbeißen, als einen Fehler zuzugeben. Also wechselte sie schlicht das Thema.
    »Kann jedem mal passieren.«
    »Danke für deinen überbordenden Großmut!«
    »Vielleicht fragst du einfach einen Eingeborenen. Früher ist man ja auch ohne Elektronik ans Ziel gekommen.«
    Toller Tipp. Als hätte dieser Einödbezirk jemals menschliches Leben gesehen. Ich schaute die endlos lange Allee entlang. Bis zum Horizont nur Bäume und Äcker. Von Eingeborenen weit und breit keine Spur.
    »Ich drehe um«, sagte ich zerknirscht und versuchte, den Van auf der engen Straße halbwegs flott um hundertachtzig Grad zu drehen. Als die Navigations-Domina einige Kilometer weiter streng zum Abbiegen mahnte, konnte ich selbst unter Aufbietung meines berühmten Späherblicks nicht erkennen, wo links von uns eine Straße sein sollte. Ratlos trat ich auf die Bremse. Meine Gattin blieb ungerührt.
    »Murat, ich glaube, sie meint den Weg da drüben.«
    »Was für einen Weg? Ich sehe nur eine Ansammlung von zugeschlammten Schlaglöchern.«
    »Ja, und? Wo ein Schlagloch ist, ist auch ein Weg.«
    Na prima. Ich sparte mir den fälligen Vortrag über begrenzte Bodenfreiheit und Radlagerschäden und schlug in Gedanken nicht nur den Sitzrasenmäher, sondern auch die Autoreparatur auf den Kaufpreis drauf. Ächzend schaukelte unser Familienlaster durch die Kraterlandschaft wie ein Krabbenkutter auf schwerer See.
    »Kannst du nicht ein bisschen reinhauen, Murat? Wir kommen zu spät!«, mahnte meine Countrybraut mit ängstlichem Blick auf die Uhr.
    Nun bin ich ja ein durchaus anpassungsfähiger Mensch, aber ein Mann trägt eine gewisse Verantwortung für ihm anvertraute Fahrzeuge. Außerdem hatte ich die Totalschaden-Regelung des Leasing-Vertrages nicht im Kopf. Womöglich hätte ein letaler Zusammenbruch des Vans uns unversehens in den Bankrott getrieben. Darum ignorierte ich die immer hektischer werdenden Anfeuerungsrufe meiner Beifahrerin und blieb eisern in Schrittgeschwindigkeit.
    »Wenn das hier die Zufahrt zu unserem Haus werdensollte«, kommentierte ich fachmännisch, »dann brauchen wir ganz klar ein anderes Auto.«
    »Kein Problem, Big Jim. Hast du nicht immer von einem Jeep mit Vierradantrieb und fettem Pipapo geträumt? Wenn wir hier einziehen, kannst du dich austoben.«
    Der Kaufpreis des Hauses addierte sich in immer schwindelerregendere Höhen. Was meine Laune keineswegs besserte. Die, um es zurückhaltend zu sagen, dünne Besiedlung der Landschaft schlug mir zusätzlich aufs Gemüt. In dieser Wüstenei konnte man sich nur verloren fühlen.
    »Wichtig ist natürlich, dass man in so einer Gegend gute Nachbarn hat«, vermeldete Ann-Marie zu allem Überfluss.
    Nachbarn? Inzwischen sah man hier nicht mal mehr Tiere.
    Dafür flatterte plötzlich am Wegesrand eine einsam in die Landschaft gerammte Deutschlandfahne. Vielleicht war dieses Brachland ja das Parteitagsgelände der örtlichen NPD-Gruppierung. Die würden sich über einen Halbtürken in ihrer Nachbarschaft sicher freuen. Wenigstens endete direkt hinter der Flagge der knochenschüttelnde Schlaglochparcours und mündete in eine alte LPG-Trasse aus Betonplatten. Wenige Minuten später vermeldete unser Satellitenempfänger in besserwisserischem Tonfall: »Sie haben Ihr Ziel erreicht!«
    Ziel erreicht? Na klar. Ich mochte mir vielleicht nicht wirklich über meine Ziele im Klaren sein. Aber dieses Depressionsloch hier gehörte sicher nicht dazu. Außerdem irritierte mich, dass weit und breit kein Haus zu sehen war. Hatten wir uns etwa doch verirrt?
    Während ich noch haderte, war Ann-Marie längst aus dem völlig zugeschlammten Wagen gesprungen und verschwand hinter den dichten Büschen. Anscheinend war ihr die heftige Rüttelei der letzten Kilometer auf die Blase geschlagen.Aber statt des erwarteten Plätscherns hörte ich jählings einen Jubelschrei.
    »Juhu, Murat. Da ist es!«
    Entgegen meiner Einschätzung hatte das Navi seine Aufgabe also doch ordnungsgemäß

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