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Das Dach kommt spaeter

Das Dach kommt spaeter

Titel: Das Dach kommt spaeter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Murat Topal
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erledigt.
    »Und es sieht noch viel süßer aus als auf den Fotos«, schallte es begeistert aus dem Buschwerk. Ich zog die Handbremse und verschloss den kostbaren Van sicherheitshalber. Wenn sich hier schon ganze Häuser hinter Gestrüpp versteckten, konnten in dem verlassen wirkenden Unterholz auch Banden von Autodieben hocken.
    Ein paar Schritte später stand ich dem steinernen Objekt der weiblichen Begierde gegenüber und versuchte, es möglichst unvoreingenommen zu begutachten. Nun gut, einen gewissen Charme konnte man dem Häuschen wirklich nicht absprechen. Niedliche kleine Mansardenfenster, eine alte Tür mit Treppe und die von meiner Frau so heißgeliebten bunten Fensterläden. Und es gab sogar einen Nachbarn. Dessen zünftige Behausung allerdings aus Pappresten zusammengetackert schien. Die Aussicht aus unserem potentiellen Traumhaus bot also nicht ganz den von Ann-Marie ersehnten
Meerblick
. Und ob jemand, der seine Tage und Nächte in einem überdimensionierten Pappkarton verbrachte, der von meiner Frau intensiv beschworene »gute Nachbar« sein konnte? Ich hatte da so meine Zweifel.
    Ann-Marie sah im Gegensatz zu mir nur das Positive.
    »Das gibt es nicht! Hier steht sogar ein alter Eisenzaun rum, noch top in Ordnung«, hörte ich sie hinter dem Haus entzückt rufen. »Und ein Apfelbaum. Wie wunderbar!«
    Erst jetzt bemerke ich rechts von mir im hohen Gras einen recht verlebt aussehenden Scirocco mit Berliner Kennzeichen. Was konnte ein Mensch, der von Berufs wegen heiße Luft produzierte, anderes fahren als ein nach einemWüstenwind benanntes Auto? War unser Ansprechpartner der Firma »Butzkow-Immobilien« also schon vor Ort? Um vor der Besichtigung wenigstens noch die gröbsten Schäden zu kaschieren?
    Als Ann-Marie, mit sichtlichem Wohlgenuss einen schwer verrunzelten Apfel kauend, wieder hinter dem Haus hervorschlenderte, deutete ich mit lässiger Handbewegung auf den durch die Schlammrallye ebenfalls völlig verdreckten VW.
    »Wollen wir mal anklopfen? Herr Schlauchsitz ist schon da.«
    »Zauchwitz«, korrigierte sie mich, da sie meine Freude an kindischen Namenswitzen nicht teilte.
    Wir enterten die morsche Holztreppe und suchten an der Haustür vergeblich eine Klingel. Aber Pippi Langstrumpf hatte einst auch keine gebraucht, und Klopfen war stromsparend, umweltverträglich und hufefreundlich – man musste ja an unsere zukünftige Pferdeherde denken. Allerdings kamen wir gar nicht zum Anklopfen, da sich die Tür durch den Lufthauch meiner Ausholbewegung wie von Geisterhand gesteuert leise ächzend öffnete. Instinktiv griff Ann-Marie meine Hand. Obwohl mir selbst mulmig zumute war, weckte diese kleine Geste sofort meinen Beschützerinstinkt.
    »Murat«, flüsterte sie. »Kann es eigentlich sein, dass ein Angestellter einer seriösen Maklerfirma wie Butzkow ein derart heruntergekommenes Auto fährt?«
    Ihre Frage hatte einiges für sich. Denn nicht nur der Wagen schien mir verdächtig. Hätte ein Verkäufer nicht vor der Tür auf seine Kundschaft warten müssen, um unvoreingenommene Begutachtungen des Hauses zu verhindern? Wurden wir vielleicht außerplanmäßige Zeugen eines blutigen Verbrechens? Nicht, dass mich dies geschreckt hätte. Es war ja nicht das erste Mal in meinem Leben, dass ich in eine gefährliche Situation geriet. Bisher hatte ich bei solchen Gelegenheitenjedoch eine Dienstpistole dabeigehabt. Ungeschützt und unbewaffnet, wie ich war, machte ich trotzdem einige vorsichtige Schritte in das Hausinnere.
    »Jemand da?«, rief ich mit dünner Stimme. Keine Antwort. Ich drang weiter in den schummrigen Flur vor und zog meine zögerliche Frau zu ihrer eigenen Sicherheit hinter mir her. Als ich todesmutig eine links in Reichweite befindliche Türklinke herunterdrücken wollte, schwang auch diese Tür vom Durchzug der offenen Haustür plötzlich von allein auf. Erschrocken prallte ich zurück und trat Ann-Marie dabei auf den Fuß.
    »Aua!«
    Sofort presste ich ihr meine Hand auf den Mund und sah sie strafend an. Wegen solch eines kleinen Fehltrittes musste man ja nicht gleich den sicher irgendwo versteckten Serienmörder auf uns aufmerksam machen. Frauen! Immer bereit, sich und andere in tödliche Gefahr zu bringen. Was täten sie nur ohne solch besonnenen Beschützer wie mich?
    Mit einer pantomimischen Meisterleistung signalisierte ich Ann-Marie, lieber wieder in den Garten zu gehen. Wie der legendäre geölte Blitz verschwand sie nach draußen. Einen kleinen Aufmunterungskuss hätte sie

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