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Das Dach kommt spaeter

Das Dach kommt spaeter

Titel: Das Dach kommt spaeter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Murat Topal
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mir das egal sein, hatte ich doch ohnehin nicht vor, mich hier lebendig begraben zu lassen. Andererseits kam es auf meine Meinung augenscheinlich nicht an. Jeder auf Beteigeuze umfallende Sack Reis hätte mehr Aufmerksamkeit erregt als ich. Hilflos muss ich mit anhören, wie der Ödlandhändler meine Frau weiter einzuwickeln versuchte.
    »Habe heute mit dem Eigentümer gesprochen. Gute Nachrichten: Beim Preis gibt es noch Spielraum. Nach unten.«
    Mit tückisch blitzenden Augen lächelte er meine hingerissene Braut an, die diese eindeutig an seinen pomadigen Haaren herbeigezogene Information anscheinend für einen Wink des Himmels hielt. Sollte unsere Residenzsuche an dieser Stelle tatsächlich schon beendet sein? Und unsere armen Kinder in der Nachbarschaft heimatfixierter Pappenheimer aufwachsen müssen?
    An diesem äußerst kritischen Punkt der Besichtigung kam mir der Zufall in Gestalt eines gedrungenen Mannes in Bomberjacke und Camouflage-Hose zu Hilfe. Ganz ohne Zweifel der Pappfanatiker! Mit seinen klobigen Springerstiefeln stürmte er durch die immer noch offenstehende Haustür herein, direkt gefolgt von zwei beunruhigend kräftigen Rottweilern.
    »Wotan grüßt! Sind Sie die neuen Mieter?«
    Unserem Steppenmakler waren Erscheinung und Grußformel des Götterboten sichtlich unangenehm. »Herr Kotzebue. Habe Ihnen schon mehrfach gesagt, dass das Haus nicht vermietet, sondern verkauft wird. Und Sie nicht unangemeldet in Besichtigungen platzen sollen.«
    Die aus seinen Hacksätzen deutlich werdende Sorge ums Geschäft war leicht nachzuvollziehen. Denn selbst meine gerade noch so verzauberte Fee wurde angesichts des sich nun ungeniert in der Nase popelnden und unsicher auf seinen kurzen Beinen stehenden Bierfahnenträgers von ersten Zweifeln heimgesucht.
    »’tschuldigung! Thor geht ab!«, lallte der Gescholtene und machte, so gut ihm das seine alkoholgeschwächten Beine erlaubten, auf dem Absatz kehrt. Um wenige Sekunden später wieder einzumarschieren, wobei er diesmal zusätzlich zu der Bierfahne eine mannshohe Flagge vor sich hertrug. Schwarz, rot, weiß. Mit einem Kreuz in der Mitte.
    »Was ist das denn für eine Fahne?«, fragte meine Frau konsterniert.
    »Die von Hertha BSC jedenfalls nicht«, bemerkte ich trocken. Unserem Immobilienhausierer wurde das nun alles zu viel. Mit Verve riss er die Flagge an sich und schleuderte sie wie einen germanischen Speer in den Garten.
    »Herr Kotzebue! Raus!«
    Ohne Widerspruch trottete der Runenfan hinaus. Vielleicht kannte er keine weiteren Götternamen mehr. Oder der Pappnazi hatte sich von der Trostlosigkeit der Landschaft infizieren lassen und jeden nationalistischen Schwung verloren. Seine Rottweiler turnten jedoch weiterhin putzmunter zwischen unseren Beinen herum.
    »Frau Topal! Entschuldigung! Was sagten Sie vor der Störung?«
    »Ich sagte, dass die Zufahrt reichlich holprig ist.«
    »Keine Sorge! Bald gibt es eine richtige Straße. Wie in Berlin.«
    »Prima. Löcherpisten wie in Berlin sind ein echt verlockender Ausblick«, versuchte ich mich auf humorvolle Art in den Dialog einzubringen. Vergeblich. Leider gab es keinen Spiegel, in dem ich überprüfen konnte, ob ich unsichtbar geworden war.
    »Reguläre Abwasserentsorgung kann auf Wunsch installiert werden«, legte der Maklerfuchs einen vermeintlichen weiteren Trumpf auf seinen Kaufargumente-Talon.
    Da hatte er aber nicht mit meiner schwäbischen Frau gerechnet. Sofort witterte sie versteckte Zusatzkosten und schlug andere Töne an. »Der Anschluss an die Abwasserentsorgung ist also nicht im Kaufpreis inbegriffen? Darf man fragen, wer das am Ende zahlen soll? Das sind doch bestimmt ein paar hundert Meter Zuleitung, von den Kosten für das Abwasserrohr ganz zu schweigen.«
    Herr Zauchwitz geriet postwendend ins Schlingern. »Ja, gut, ich sag mal, je nachdem. Sie wissen ja. Vielleicht wird die Gemeinde … Also, wenn’s ein Härtefall ist … Ist ja alles noch Zukunftsmusik.«
    »Herr Zauchwitz. Sie müssen sich schon klar positionieren: Wer bezahlt diese Infrastrukturmaßnahmen? Am Ende etwa der Käufer?«
    In kein Haus der Welt könnte eine Schwäbin so verliebt sein, dass sie den Kostenfaktor aus den Augen verlieren würde. Ich war stolz auf sie.
    »Also, Frau Topal … Wie gesagt, es gibt ganz verschiedene Möglichkeiten … Allenfalls im Worst Case«, bei ihm klang es wie »Wurstkäs«, »sehe ich prozentuale Kostenbeteiligung der Grundstückseigentümer … Kann eventuell durch Rabatt beim Kaufpreis

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