Das Dach kommt spaeter
der zufällig im Keller über einen in einer dunklen Ecke stehenden Kasten stolperte.
»Herr Topas«, brüllte er nach oben. »Ick hab die Kiste. Wenn Se bei der Jelejenheit vielleicht jleich ma den Krankenwajen rufen könn’n.«
Zu seiner und meiner Erleichterung konnte ich als erfahrener Vater die Schramme an seinem Unterschenkel kurz und schmerzlos verarzten, indem ich ein Pflaster darauf klebte. Die beiden Tranklempner brauchten für ihre Arbeitdafür umso länger. Als sie endlich abzogen, wunderte ich mich, dass ihre Bärte inzwischen nicht bis zum Boden reichten. Kosewitz konnte sich gar nicht beruhigen.
»Wat soll ick sajen, Herr Topas. So wat wie die hab ick ja noch nie erlebt. Und wat die für n Dreck hinterlassen ham. Na, ick wasch ma erssma die HÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄÄ… Wenn Se jetz bitte doch den Krankenwaijen rufen könn’n.«
Die beiden Sanitärexperten hatten es geschafft, die Leitungen zu vertauschen, so dass sich mein Bauwesir beim Aufdrehen des Kaltwasserhahns böse die Finger verbrühte. Um die Sache wieder in Ordnung zu bringen, blieb mir nichts anderes übrig, als doch noch die Polen zu holen. Die brachten nicht nur das Sanitärchaos wieder in Ordnung, sondern waren auch so freundlich, die Dachbalken, die seit Wochen darauf warteten, mit Dämmung, Isolierung und Dachziegeln komplettiert zu werden, mit Folie abzudecken. Dank dieses provisorischen Dachs konnten Kosewitz und seine Spießgesellen wenigstens so tun, als würden sie den Innenausbau vorantreiben.
Um zwischen all den Wahnwitzigen nicht selbst verrückt zu werden, gönnte ich mir zwischendurch friedvolle Ausgleichsarbeiten wie etwa Malern, eine Tätigkeit, die sich mehr oder weniger von selbst erledigt. Nur die Vorbereitung muss stimmen: also alles anständig abkleben, Farbe anrühren, Rolle und Pinsel an den Start bringen und los! Die ewige Wiederholung der Rollbewegung ist ein astreines Beruhigungsmittel, bei dem man sogar Musik oder Hörbücher genießen kann. Aber selbst das hatte seine Tücken: Bei einer meiner Entspannungsübungen klopfte mir Baba auf die Schulter. »Oğlum, ich weiß, Haus heißt Domuz. Aber willst du wirklich alles schweinrosa streichen?« Hoppla, da hatte ich doch in meinem relaxten Dämmerzustand glatt übersehen, dass ich mit Aylas Kinderzimmer längst fertig war.Würde die Kleine dort überhaupt jemals einziehen? Immer wieder plagten mich nachts Alpträume, in denen meine Kinder mir für immer entzogen wurden. Und Ann-Marie mit anderen Männern ein glückliches Leben begann. Die Sehnsucht nach meinen drei Liebsten war inzwischen so stark, dass sie mir geradezu körperliches Unwohlsein bereitete. Ich gab mir Mühe, mich davon nicht lähmen zu lassen, sondern sie als zusätzliche Motivation zu begreifen.
Fast noch meditativer als Streichen fand ich das Verlegen von Laminat. Laminat gibt es ja in allen Farben und Strukturen, was mich schon in meiner Jugend fasziniert hat. Und es sieht richtig echt aus. Damals habe ich ernsthaft gedacht, Laminat wäre der Name einer Tropenholzart. Als ich mit meiner ersten großen Liebe unsere erste gemeinsame Mietwohnung einrichten wollte, baute ich mich vor dem Verkäufer auf und dozierte großspurig: »Laminat gut und schön. Aber ist Ihres denn auch aus kontrolliertem Plantagenanbau?« Die Freundin war ich danach los. Inzwischen weiß ich natürlich, dass Laminat aus verschiedenen Schichten besteht, wobei die oberste sozusagen abfotografiertes Holz ist. Man läuft also nicht auf Dielen, sondern auf einer Riesenfototapete. Aber was soll’s – wenn es doch gut aussieht. Passt auch sehr schön zu Deko-Obst und Plastikpflanzen. Und zum Kaminfeuervideo auf dem Flachbildschirm.
Als Baba und ich zu dem Entschluss gelangten, dass wir so weit seien, mit der Verlegung des Bodens zu beginnen, planten wir diese sorgfältig durch. In jeder Etage und in jedem Raum wurde als Erstes das notwendige Depot Klicklaminat angelegt. Dann arbeiteten wir uns systematisch von unten nach oben durch und klickten uns wie in Trance abwechselnd durch das gesamte Haus. Am Dachboden angekommen, war ich dran und sollte eine Lektion fürs Leben lernen: nie, wirklich
nie
zur Dachschräge hin enden! BeiKlicklaminat klickt man die Leisten, wie der Name schon sagt, zusammen und klopft mit einem Schlagholz und einem Hammer noch einmal nach, bis sie einrasten. Irgendwann schneidet man die letzte Leiste zurecht, passt sie in die letzte Lücke und hakt ein Zugeisen ein, auf das man so lange klopft, bis das
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