Das Dach kommt spaeter
meiner Tasche herum.
»Ihre Schwiegermutter hat derart penetrant auf mich eingewirkt, dass ich die Angelegenheit trotz Ihres unmöglichen Verhaltens weiterverfolgt habe. Sie können noch bis Ende Oktober in Ihrer Wohnung bleiben. Was ist das?«, meinte er mit verwundertem Blick auf die Whiskyflasche, die ich endlich aus der Tasche gezaubert hatte.
»Na, Sie sind doch Whisky-Kenner, da dachte ich, ich mach Ihnen damit vielleicht eine kleine Freude.«
»Den stecken Sie mal gleich wieder ein, Herr Topal. Solch minderwertigen Duty-free-Fusel fasse ich nicht einmal mit der Kneifzange an.«
Es diesem Menschen recht zu machen schien schier unmöglich. Aber wenigstens hatte ich die Arbeiten auf dieser Baustelle unkomplizierter als erwartet beendet und konnte mich nun mit voller Kraft dem »Unternehmen Gewerkejagd« widmen.
Wenn in Deutschland irgendetwas nicht klappt, sagt man ja gern, dass es bei uns zugehe wie in einer Bananenrepublik. Ich spreche bei solchen Gelegenheiten inzwischen nur noch von einer Baustellenrepublik. Denn aller Wahrscheinlichkeit nach sind die Zustände in einer Bananenrepublik, verglichen mit denen auf deutschen Baustellen, geradezu idyllisch. So sollte man etwa meinen, es sei in unseren Breitengraden ein Kinderspiel, sich eine Dienstleistung auftragsgemäß ausführen oder bestimmtes Material liefern zu lassen. Es gibt Mail, Fax, Telefon, kompetente Speditionen und dreispurige Autobahnen. Eigentlich sollte es also reichen, eine Fachfirma anzurufen, ihr zu erklären, was man in welcher Farbe, Größe und Beschaffenheit braucht, und danach die Bestellung per Fax oder Mail zu bestätigen. Der Auftragnehmer teilt dann im Gegenzug mit, wie viel Zeit er zum Herstellen, Liefern und Montieren braucht. So weit die Theorie. In der Praxis dagegen orderst du zum Beispiel eine Haustür, die laut Bestellbestätigung eine Lieferzeit von vier Wochen hat. Nach drei Wochen ruft dich die Firma deines Vertrauens an und verlangt »die genauen Maße, Herr Topal«. Um keinen Streit zu riskieren, schluckst du deinen Ärger herunter und gibst die Maße ein zweites Mal detailliert durch. Fünf Tage später erreicht dich per Mail die knappe Ansage, dass die gewünschten Maße leider nicht innerhalb der zugesagten vier Wochen geliefert werden können. Das Schreiben endet mit der nüchternen Floskel:
Wir hoffen, die bedauerliche Verzögerung stellt kein Problem für Sie dar, und verbleiben hochachtungsvoll
…
Du übergehst die Unverschämtheit, dass die Lieferung nun nicht mehr vier, sondern vier plus x Wochen dauern wird, und antwortest:
Vielen Dank für Ihre freundliche Mail. Selbstverständlich stellt es keinerlei Problem dar, dass unser Traumhaus sperrangelweit offen steht und jede Gattung ungebetener Gäste einlädt – seien es nun Zwei-, Drei- oder Vierbeiner. Bis Ihr offenbar kompliziert herzustellendes Einzelstück eintrifft, werde ich mir übergangsweise eine eigene Tür schnitzen oder im Britzer Garten einen Bären erlegen und sein Fell an die Zarge nageln. Mit freundlichen Grüßen
…
Was willst du sonst tun? Den Auftrag zurückziehen und mit einer anderen Fachfirma denselben Tanz von vorn beginnen? Lieber bleibst du eisern freundlich, verhandelst zäh und hoffst ... meistens vergeblich.
Fast all unsere Bestellungen wurden entweder zu spät, falsch oder gar nicht geliefert, egal, ob es sich um die Griffe für die Fenster, die Terrakottafliesen für das Entree oder die mit todschicker Granitoptik versehene Arbeitsplatte für die Küche handelte.
Kosewitz machte bei unserem ehrgeizigen Bauvorhaben täglich mit und war doch nie dabei. Sein Talent, in kritischen Augenblicken aus der Sichtachse zu verschwinden und erst nach getaner Arbeit wieder aufzutauchen, war bemerkenswert. Er und Gerd, den Baba trotz meiner Proteste täglich mit nach Britz schleppte, ergänzten sich prächtig. Die Einzigen, die arbeiteten, waren wieder einmal Baba, der trotz seines fortgeschrittenen Alters wie eine Maschine ranklotzte,und ich. Als jedoch eines Nachmittags überraschend die von mir schon längst abgeschriebene Küchenarbeitsplatte geliefert wurde, konnten die beiden Faultiere nicht mehr rechtzeitig die Kurve kratzen. Den notorischen Drückebergern eine Arbeit aufhalsen zu können war mir ein innerer Reichsparteitag. Schadenfroh hielt ich ihnen meine brandneue Laser-Stichsäge unter die Nase. »Weiß jemand, wie man damit umgeht?«
Kosewitz warf einen flüchtigen Blick auf das Gerät und zog ein Gesicht, als
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