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Das Daemonenschiff

Das Daemonenschiff

Titel: Das Daemonenschiff Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Festung
des falschen Gottes bis zum nächsten Sonnenaufgang erreichen,
dann sind wir schnell genug, um ihnen zuvorzukommen.«
»Und sitzen in der Falle, sobald sie auftauchen«, schnaubte
Abu Dun.
»Nicht, wenn wir bis dahin gesiegt haben«, behauptete Thure.
»Sie sind keine Männer von Ehre. Keine Krieger wie die, die
uns begleiten. Sie werden nicht für einen Herren kämpfen, den
es nicht mehr gibt.«
Die Wahrscheinlichkeit, dass er damit recht hatte, war gar
nicht einmal so gering, dachte Andrej. Dennoch war Thures Plan
schierer Irrsinn. »Dann teilen wir uns auf«, sagte er nach kurzem
Überlegen. »Ob diese Piraten nun Männer von Ehre sind oder
nicht, sie sind gewiss nicht dumm. Sie werden uns nicht den
Gefallen tun, uns einen so sicheren Fluchtweg offen zu lassen.
Und ich möchte keinen Gegner hinter mir haben, über dessen
Stärke und Absichten ich nichts weiß.«
»Aber –«, protestierte Thure.
»Dann bleibe ich mit fünfzig Kriegern zurück«, sagte Abu
Dun, ohne seinen Einwand auch nur zu hören. »Ihr gebt uns ein
Zeichen, sobald ihr sicher unten angekommen seid, dann folgen
wir euch.«
Thure versuchte noch einmal zu widersprechen, doch Abu
Dun drehte sich wortlos auf dem Absatz um und ging mit
schnellen Schritten zu den wartenden Männern zurück.

8
    Selbst jetzt, als er den harten Fels unter den Füßen spürte,
konnte er ihn immer noch nicht sehen. Andrejs Augen waren
schärfer als die eines Falken und lichtempfindlicher als die einer
Katze, das hier aber … war etwas anderes. Er konnte den Felsen
fühlen – seine Härte, die von dem dünnen Überzug aus rutschigem Eis nicht gemildert wurde, die Kälte, die er ausstrahlte, wie
es der Sand in Abu Duns Heimat mit der Sonnenhitze des Tages
tat. Jeder Fußbreit Boden schrie ihm mit ebenso lautloser wie
unüberhörbarer Stimme zu, dass er gehen sollte, fort von dieser
Insel, weg aus diesem Teil der Welt, solange er es noch konnte.
    Noch vor wenigen Stunden hätte er über Gedanken wie diesen
laut gelacht, denn sie waren nichts anderes als unvernünftig und
kindisch – und damit nur zu oft gefährlich. Auf ihren unzähligen
Reisen in fremde und exotische Länder waren Abu Dun und er
auf viele vermeintlich unerklärliche und anscheinend übernatürliche Dinge und Geschöpfe gestoßen, doch die Welt war zu groß
und die Schöpfung zu mächtig, als dass sich letzten Endes nicht
doch immer eine Erklärung gefunden hätte.
    Aber das hier …
Andrej hätte es niemals laut ausgesprochen, ja, er gestattete
nicht einmal sich selbst, seine Unruhe in Worte zu fassen. Mit
jedem Schritt hatte er ein bisschen mehr das Gefühl, sich von
der Welt, wie er sie bisher gekannt hatte, zu entfernen. Hier
gehörte er nicht her. Selbst der Felsen, dessen grausame Kälte er
längst nicht mehr nur in den Händen und auf dem Gesicht
spürte, sondern auch durch die dicken Stiefelsohlen hindurch,
erschien ihm trotz seiner Härte und Unverrückbarkeit zugleich
sonderbar substanzlos; wie durch Zauberei schien er sich immer
wieder sowohl seinem Begreifen als auch seinen Blicken zu
entziehen. Seit sie den schmalen Pfad betreten hatten, schien
sogar die Natur selbst zu ihrem Feind geworden zu sein. Das Eis
war hier glatter als anderswo, der Wind schneidender und die
Dunkelheit tiefer. Mehr als nur einmal war er auf dem Weg hier
herunter über ein Hindernis gestolpert, das wie aus dem Nichts
vor ihm aufgetaucht war, und einmal war es nichts anderes als
schieres Glück gewesen, dass er nicht abgestürzt war, als sein
Fuß unversehens ins Leere trat.
Nicht alle Männer hatten so viel Glück gehabt. Mindestens
drei von ihnen waren abgestürzt. Eine schreiende Gestalt, die
ebenso verzweifelt wie sinnlos mit den Armen um sich geschlagen und nach einem Halt gegriffen hatte, den sie nie wieder
finden sollte, und zwei weitere, die dem Tod mit tapferem
Schweigen entgegenrasten, waren an ihm vorbei in die Tiefe
gestürzt. Aber er wusste, dass es weit mehr Tote gegeben haben
musste: Seine scharfen Ohren hatten ihn die Schreie der Männer
hören lassen, die weiter oben abgestürzt waren, und auch das
dumpfe Geräusch, mit dem sie auf den Felsen aufgeprallt waren.
Die Schlacht hatte noch nicht einmal begonnen, und doch hatten
sie schon mindestens ein Dutzend Tote zu beklagen. Andrej
hoffte, dass sie diesen Preis Wert war und sich Thures Plan als
richtig herausstellen würde, denn er wusste, dass Abu Dun den
Nordmann für jedes einzelne Leben

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