Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Daemonenschiff

Das Daemonenschiff

Titel: Das Daemonenschiff Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
Vom Netzwerk:
vorgeschlagen
hatte: Sie bildeten den Anfang eines weit auseinandergezogenen
Halbkreises, indem sie sich hinknieten und ihre großen Schilde
von den Rücken nahmen, um sie als Schutzwall vor sich
aufzustellen.
Er ignorierte Thures belustigte Miene und gab sich stattdessen
Mühe, ein möglichst zufriedenes Gesicht zu machen. Ohne dem
Nordmann auch noch ein einziges Wort zu gönnen, drehte er
sich wieder zu Urd herum, nahm ihre Hand und deutete –
eigentlich wahllos – nach links. »Komm.«
Urd machte ein fragendes Gesicht, folgte ihm aber gehorsam.
Der Strom von Kriegern, die das Ende des Pfades erreichten und
sich mit hängenden Schultern und mühsamen Schritten weiterschleppten, war dünner, als er gehofft hatte, aber stetig. Erst als
sie sich ein gutes Stück entfernt hatten, deutete Andrej auf eine
windgeschützte Stelle am Fuße der Felswand, die nahezu
lotrecht hinter ihnen in die Höhe strebte und mit der Dunkelheit
verschmolz, lange, bevor man ihr Ende ausmachen konnte.
»Warte«, sagte er, als Urd dazu ansetzte, sich erschöpft zu
Boden sinken zu lassen, obwohl er nichts lieber wollte, als
dasselbe zu tun. Sein Reservoir an innerer Kraft mochte sich
allmählich wieder füllen, aber sein Körper war müde. Trotzdem
schüttelte er nur noch einmal den Kopf, nahm mit einer umständlichen Bewegung den großen Rundschild vom Rücken und
streifte dann den Mantel ab. Urd blickte fragend – vor allem, als
ihn die Kälte sofort und erbarmungslos wie ein Raubtier
ansprang und er nichts dagegen tun konnte, dass seine Zähne zu
klappern begannen – und machte auch sofort wieder (was hatte
er erwartet?) ein spöttisches Gesicht, als er den Mantel wie eine
Decke auf dem eisigen Boden ausbreitete. Aber ihr Stolz
hinderte sie nicht, dieses Angebot anzunehmen und sich mit
untergeschlagenen Beinen darauf niederzulassen. Erschöpft
lehnte sie sich mit Schultern und Hinterkopf gegen den Fels und
schloss die Augen.
Aber Urd wäre auch nicht Urd gewesen, hätte sie ihn nicht
unmittelbar darauf schon wieder spöttisch angesehen und
gesagt: »Das ist sehr zuvorkommend von dir, großer Krieger.
Aber falls dir doch zu kalt wird und du das Bedürfnis hast, dich
zu wärmen, kannst du gerne zu mir unter meinen Mantel
schlüpfen.«
»Ich glaube nicht, dass dein Bruder sehr begeistert wäre«,
sagte Andrej.
Urd lächelte und sagte dann in plötzlich ernstem Ton: »Warum
reizt du ihn so, Andrej? Von Abu Dun hätte ich das erwartet,
aber dich habe ich eigentlich für klüger gehalten.« Sie hob müde
die Hand, um seinem Widerspruch zuvorzukommen. »Nur falls
du es noch nicht selbst gemerkt hast: Er weiß, dass er etwas
falsch gemacht hat.«
»Es hat nichts damit zu tun, Urd«, widersprach Andrej, schüttelte gleich darauf den Kopf und verbesserte sich mit einem
Achselzucken: »Oder doch.«
»Aha«, sagte Urd.
Andrej suchte einen Moment lang vergeblich nach den richtigen Worten, fand sie nicht und rettete sich schließlich in ein
erneutes Achselzucken, bevor er sich – weiter, als notwendig
gewesen wäre, von ihr entfernt – mit angezogenen Knien auf
den Boden sinken ließ. Als er endlich weitersprach, tat er es,
ohne sie dabei anzusehen. »Dein Bruder ist ein tapferer Mann,
Urd. Daran gibt es keinen Zweifel. Nicht einmal Abu Dun
zweifelt daran, auch wenn er noch so oft das Gegenteil behauptet. Aber die Grenze zwischen Tapferkeit und Dummheit ist
manchmal sehr schmal.«
Urd lachte leise. Andrej sah sie immer noch nicht an, doch er
konnte hören, wie sie den Kopf schüttelte. »Glaub mir, Andrej,
es gibt manches, was man Thure nachsagen kann – aber nicht,
dass er dumm wäre.« Ein weiteres, ehrliches Lachen. »Auch
wenn ich zugeben muss, dass er sich manchmal redliche Mühe
gibt, diesen Eindruck zu erwecken.«
»Ich weiß«, sagte Andrej. »Ich habe auch nicht gemeint, dass
Thure dumm ist. Aber das, was er tut, ist es. Einen Fehler zu
begehen, ist eine Sache. Aber das hier ist … Wahnsinn. Wenn
ich es nicht besser wüsste, dann –« Könnte ich meinen, er führt
diese Männer absichtlich in den Tod?, führte er den Satz in
Gedanken zu Ende.
»Ja?«, wollte Urd wissen, als er auch nach etlichen weiteren
Momenten nicht weitersprach.
Andrej hob nur die Schultern. »Wahrscheinlich hast du recht«,
sagte er, um einen spöttischen Tonfall und ein ebensolches,
wenn auch müdes, Lächeln bemüht. »Vielleicht bin ich einfach
nur nervös. Wenn diese Piraten wirklich auf uns warteten,

Weitere Kostenlose Bücher