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Das Daemonenschiff

Das Daemonenschiff

Titel: Das Daemonenschiff Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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murmelte Abu Dun.
Andrej wusste die Antwort auf diese Frage nicht, aber er hätte
das, was er empfand, auch nicht treffender in Worte fassen
können.
Der Anblick war majestätisch und erschreckend zugleich, vor
allem aber eines: unheimlich. Vor ihnen gähnte ein mindestens
zweihundert Meter tiefes, kreisrundes Loch im Boden, dessen
Wände so perfekt lotrecht in die Tiefe stürzten, als wären sie aus
dem Felsen herausgestanzt worden. Auf dem Grund dieses
gigantischen Kraters war etwas, das nicht nach Eis oder Fels
aussah. Bei dem schlechten Licht war es ihm unmöglich, den
Boden des Abgrundes genauer zu erkennen. Aus der Mitte des
Kraterbodens jedoch wuchs ein zyklopisches … Etwas, wie ein
mahnend emporgereckter, schwarzer Lavafinger. Er starrte in
die Tiefe.
Natürlich wusste er, dass es ein Berg war. Es war nicht der
erste erloschene Vulkan, den er sah, auch wenn er sich nicht
erinnern konnte, jemals eine Caldera dieser Größe zu Gesicht
bekommen zu haben, aber es war zugleich auch … etwas
anderes.
»Was … ist das?«, fasste Urd in Worte, was sie in diesem
Moment wohl alle dachten. »Das ist unheimlich.«
»Es ist nur ein Felsen«, brummelte Abu Dun. Niemand antwortete. »Ein hässlicher Felsen«, fügte der Nubier hinzu, und
dazu sagte erst recht niemand etwas.
Andrej hätte sich gewünscht, dass Abu Dun geschwiegen
hätte. Für einen Moment war selbst ihm, als hätten die Worte
des Nubiers etwas geweckt, an dessen Schlaf besser nicht
gerührt wurde. Der Tag verblasste jetzt immer schneller, aber
dort unten, tief am Grunde dieses unheimlichen Tales, schien
mit den länger werdenden Schatten gleichzeitig noch etwas
anderes Einzug in den kreisrunden Talkessel zu halten. Andrej
konnte das Gefühl nur schwer in Worte kleiden, aber er war
nicht der Einzige, der es spürte. Immer mehr und mehr Männer
versammelten sich vor dem jäh aufklaffenden Abgrund, und ihre
Unruhe wuchs im gleichen Maße wie ihre Anzahl.
»Das ist nur ein Berg«, sagte Thure schließlich. »Gefährlich ist
nicht der Stein, sondern das, was in ihm haust. Aber wir sind
genug, um mit jeder Gefahr fertig zu werden.«
Andrej warf einen überraschten Blick auf Abu Dun, aber der
Nubier wirkte genauso verblüfft wie er. Thures Worte schienen
ihm nicht besonders klug gewählt; jedenfalls nicht, wenn er
tatsächlich vorgehabt hatte, seine Männer zu beruhigen.
»Und wie kommen wir dort hinunter?«, fragte Abu Dun
schließlich.
Thure trat noch einen Schritt näher an den Abgrund heran, ließ
sich in die Hocke sinken und tat einen Moment lang so, als
müsse er die Felswände rechts und links aufmerksam mit
Blicken absuchen. Er war ein miserabler Schauspieler, fand
Andrej. »Als wir damals hier waren, gab es einen Pfad. Er war
schmal und steil, aber … dort!« Er streckte den Arm aus und
deutete nach links. Andrej war nicht einmal mehr überrascht,
dort nicht mehr zu erkennen, als Felsen und rasch schwärzer
werdende Schatten. Und auch Abu Dun erging es offensichtlich
nicht anders, denn er ließ sich neben dem Nordmann in die
Hocke sinken, runzelte demonstrativ die Stirn und beugte sich
so weit vor, dass nicht nur Urd erschrocken die Luft zwischen
den Zähnen einsog.
»Ich sehe nichts. Und selbst wenn – es wäre besser, wir warten, bis es hell geworden ist. Der Abstieg ist gefährlich.«
Aber bestimmt nicht für dich, antwortete Thures Blick. Laut
sagte er: »Es sieht schlimmer aus, als es ist. Ich war damals
noch ein Kind und unser Skalde ein alter Mann, und wir haben
es auch geschafft. Und es wäre noch viel gefährlicher, die Nacht
hier oben zu verbringen.«
Abu Dun stemmte sich ächzend in die Höhe. »Wegen der
Piraten, die uns nicht verfolgen«, vermutete er.
Thure tat so, als hätte er nichts gehört. »Der falsche Gott weiß
vielleicht noch nicht, dass wir kommen. Aber wenn wir bis
morgen früh hier warten, weiß er es ganz bestimmt.« Er schüttelte heftig den Kopf, wie um jedem denkbaren Widerspruch
zuvorzukommen. »Sobald es ganz dunkel geworden ist, wird es
hier wirklich kalt. Wir müssten Feuer entzünden, wenn wir nicht
Gefahr laufen wollen, die Hälfte der Krieger morgen früh
erfroren zu finden. Der Vorteil der Überraschung wäre damit
dahin. Und es wird auch mit diesem Vorteil schon schwer
genug, ihn zu überwinden.«
»Nur, damit ich dich richtig verstehe«, fragte Abu Dun mit
übertrieben gespieltem Entsetzen nach. »Du willst nicht, dass
wir ein Feuer entzünden?«
»Auf keinen

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