Das Daemonenschiff
er
tat. Wenn man genau hinsah, konnte man sogar Spuren von eingetrocknetem Blut darauf erkennen, Blut, das weder ihm noch Urd
gehörte, sondern irgendeinem der viel zu vielen Opfer, die sein
Schwert in den letzten Tagen gefunden hatte. Perfekt, eben.
»Das ist nicht angenehm«, beschwerte sich Urd zum wiederholten Mal. »Und noch dazu vollkommen überflüssig!«
»Dann nimm ihn wieder ab«, sagte Andrej, während er mit
einem betont uninteressierten Achselzucken aufstand. »Und
erklär deinem Bruder und den anderen, wieso du ohne einen
Kratzer davongekommen bist, wo doch jedermann gesehen hat,
dass die Valkyrie dich angegriffen hat.«
Urd machte ein beleidigtes Gesicht, antwortete aber vorsichtshalber nicht darauf, zumal sie dieses kurze Gespräch in den
letzten zwei oder drei Minuten – beinahe wortwörtlich und nicht
nur einmal – geführt hatten. Wahrscheinlich, dachte Andrej,
würden sie es in der einen oder anderen Form noch sehr oft
führen müssen, und ebenso wahrscheinlich würde noch sehr viel
Zeit vergehen, bis Urd sich wirklich an die Rolle gewöhnt hatte,
die sie spielen musste. Natürlich würde diese alberne Maskerade
niemanden täuschen, der genau hinsah – aber Andrej bezweifelte, dass das jemand tat. Seit der lautlose Todesschrei der letzten
Valkyrie in seinen Gedanken verklungen war, war auch der
Kampflärm erloschen, und es war beinahe schon unheimlich still
geworden, sah man von einem gelegentlichen Stöhnen oder
einem hastig geflüsterten Wort ab. Die Krieger hatten sich zu
einem dicht geschlossenen, unregelmäßigen Kreis formiert und
hielten ihre Waffen bereit, jederzeit auf einen weiteren, heimtückischen Angriff gefasst, und Thure war nur kurz zu ihnen
gekommen, um sich davon zu überzeugen, dass sie (und vor
allem seine Schwester) noch am Leben und weitestgehend
unversehrt waren, und war dann wieder verschwunden. Es war
genau wie am vergangenen Morgen: Keiner der Männer kam
ihnen näher als zehn oder zwölf Schritte, und niemand sah auch
nur in ihre Richtung. Doch Andrej konnte die Furcht, die die
Herzen der Krieger erfüllte, jetzt beinahe mit Händen greifen.
Noch galt diese Angst nur ihm; nicht auszudenken, was geschehen würde, wenn sie erfuhren, dass auch mit Urd jetzt etwas
nicht mehr so war, wie es sein sollte. Das Eis, auf dem sie sich
bewegten, wurde dünner.
Urd stand auf, bewegte prüfend den Arm und runzelte erneut
und noch ärgerlicher die Stirn. »Du hast ja recht«, räumte sie
widerwillig ein. »Aber es ist trotzdem unbequem.«
Dann wurde ihr Gesichtsausdruck misstrauisch. »He – und
was bedeutet überhaupt: dein Vertrauen erschleichen? «
Andrej antwortete nur mit einem müden Grinsen, zog sein
Schwert halb aus der Scheide und tat so, als würde er die Klinge
nach Beschädigungen oder Kratzern überprüfen, bevor er sie mit
einer übertrieben kraftvollen Bewegung wieder in ihre Umhüllung zurückrammte und sich zugleich ganz aufrichtete. Zwei
Krieger, die verstohlen zu ihm hergesehen hatten, wandten sich
hastig wieder ab, und bevor Urd das Thema vertiefen und die
unsinnige Diskussion fortsetzen konnte, spürte er, wie Abu Dun
näher kam, und sah ihm rasch entgegen; ein riesenhafter,
massiger Schatten, der begleitet von einer zweiten, kaum
weniger beeindruckenden Gestalt auf Urd und ihn zustapfte. Er
musste Abu Duns Gesicht nicht erkennen, um zu wissen, dass
sein Ausdruck mindestens ebenso finster war wie die Farbe
seiner Haut.
»Ist alles in Ordnung?«, fragte er.
Abu Dun grunzte nur zur Antwort, während Thure einen Blick
ins Gesicht seiner Schwester warf, in dem dieselbe Frage zu
lesen war, zusammen mit einer unübersehbaren Drohung, die
ganz eindeutig Andrej galt.
»Ja«, antwortete Abu Dun schließlich doch, und mit einiger
Verzögerung. »Jedenfalls ist niemand mehr in der Nähe …
soweit ich das feststellen kann.« Er wandte sich mit finsterem
Gesichtsausdruck an Thure. »Wann genau wolltest du uns von
dieser kleinen Überraschung erzählen, großer Feldherr?«
Andrej konnte Thure ansehen, dass er zu einer geharnischten
Antwort ansetzte, und kam ihm zuvor. »Wenn überhaupt, dann
ist es meine Schuld. Urd hat mir von den Valkyries erzählt. Ich
habe ihr nicht geglaubt.«
»Und wie auch?«, sagte Thure, der zugleich aber auch ein
bisschen überrascht wirkte, ausgerechnet von Andrej Rückendeckung zu bekommen. Abu Dun wirkte nicht überrascht,
sondern verärgert. »Wer waren diese Frauen? Sie haben gekämpft wie –«
»Wir?«,
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