Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Daemonenschiff

Das Daemonenschiff

Titel: Das Daemonenschiff Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
Vom Netzwerk:
dass wir
unsere Heimat gesehen haben. Zu lange.« Bevor Björn etwas
erwidern konnte, stand er auf und wies Abu Dun an, es ihm
gleich zu tun. »Und jetzt sollten wir uns schlafen legen. Es war
ein anstrengender und aufregender Tag, und ich fürchte, der
morgige wird es nicht weniger.«
»Dieses Mal seid ihr es nicht, die rudern müssen«, lächelte
Harald.
Andrej erwiderte das Lächeln, wandte sich überdies wortlos
um und ging. Abu Dun schloss sich ihm an. Seine Hand lag immer noch auf dem Schwertgriff, und das so, dass jedermann es
sehen musste.
Erst, als sie das Haus verlassen hatten und in die Kälte und den
heulenden Sturm hinausgetreten waren, brach Abu Dun sein
Schweigen. »Ich würde sagen, das war knapp.«
»Ja«, bestätigte Andrej. Er hing seinen eigenen Gedanken
nach. Natürlich hatte er die Wahrheit gesagt: Sowohl Abu Dun
als auch er träumten schon lange davon, endlich wieder in jenen
Teil der Welt zurückzukehren, in dem sie geboren und aufgewachsen waren. Und dennoch war da ein winziger Teil in ihm,
der nicht fortwollte. Ein Teil, der –
Er wehrte sich gegen den Gedanken, bevor dieser tatsächlich
Gestalt annehmen konnte.
»Ich verstehe nicht ganz, dass Thure so einfach aufgibt«, fuhr
Abu Dun nachdenklich fort, während sie nebeneinander auf das
Haus zugingen, in dem der Nubier schlief. Hinter den dünnen
Tierhäuten, die seine Fenster verschlossen, brannte Licht, und
Andrej glaubte einen schlanken, wohlgeformten Schatten dahinter zu erkennen. Vielleicht auch zwei. Er lächelte.
»Er hat hoch gespielt und verloren«, antwortete er, widerwillig
und in der Hoffnung, Abu Dun würde es damit gut sein lassen
und das Thema beenden. Natürlich tat er es nicht.
»Dieser kleine Auftritt dort drinnen hätte ihn gut das Leben
kosten können«, sagte er stattdessen. »Er hat viel riskiert.«
»Und es wahrscheinlich gerade deshalb nicht zum Äußersten
kommen lassen«, vermutete Andrej. »Er mag ein Hitzkopf sein,
aber er ist nicht dumm. Und gewiss nicht verantwortungslos.«
Er blieb stehen. Plötzlich wurde ihm klar, dass Thure keineswegs versucht hatte, seinem Vater die Krone zu entreißen, nur,
um sich seines Thrones zu bemächtigen. So wenig er verstanden
hatte, wovon der Nordmann sprach, so überzeugt war er nun
davon, dass Thures Sorge um das Wohl seines Volkes und seine
Angst echt waren. Er fuhr fort: »Es hätte blutig geendet. Hast du
die Reaktion der Männer nicht bemerkt?«
»Doch«, sagte Abu Dun. Sie hatten das Haus erreicht, und er
streckte die Hand nach dem Türgriff aus, blieb jedoch noch
einmal stehen und wandte sich zu Andrej um. »Aber das hat
noch nie einen daran gehindert, einmal Begonnenes zu Ende zu
bringen.«
»Thure schon«, antwortete Andrej. Aus dem Haus drangen
gedämpfte Geräusche. Schritte. Ein Rascheln und leises Kichern. Abu Dun konnten sie so wenig entgehen wie ihm, aber er
tat so, als höre er nichts. »Er ist kein verantwortungsloser Mann.
Er wollte kein Blutvergießen.«
»Wie edel von ihm«, spöttelte Abu Dun. Dann gähnte er ausgiebig und blinzelte heftig. »Ich bin müde, Andrej. Und morgen
steht uns ein anstrengender Tag bevor.«
Andrej grinste. »Ja, damit hast du wohl recht«, sagte er. »Dann
geh und ruh dich aus. Zum Reden haben wir ja noch Zeit genug
während der Überfahrt.«
Damit machte er endgültig kehrt und eilte zu seinem Haus, das
nur wenige Schritte entfernt lag. Wenn man bedachte, dass das
ganze Dorf nur aus einer Handvoll kleiner Gebäude bestand,
dann hatte man ihnen tatsächlich ein königliches Quartier zugewiesen. Andrej vermutete, dass Harald kurzerhand zwei komplette Familien ausquartiert hatte, um seine Gäste unterzubringen. Aber wenn es die Familien derer waren, deren Leben sie
möglicherweise auf der Eisinsel gerettet hatten, dann war das
ein kleiner Preis, den sie gerne bezahlten. Wieso zerbrach er
sich überhaupt den Kopf darüber, das sah ihm gar nicht ähnlich?
Morgen zu dieser Zeit waren sie längst schon wieder auf See
und viele Meilen entfernt, und in ein paar Wochen, spätestens
Jahren, würde er diese Episode ebenso wie die Menschen hier
vergessen haben.
Trauer erfüllte ihn plötzlich, aber er kämpfte auch dieses Gefühl nieder. Es war gut, dass sie gingen. Wären sie länger geblieben – vielleicht nur wenige Tage –, dann hätte er sich vielleicht den trüben Gedanken stellen müssen, und das wollte er
nicht.
Er öffnete die Tür. Wind wirbelte pulverfeinen Schnee herein
und versuchte mit

Weitere Kostenlose Bücher