Das Daemonenschiff
weit sind sie?«
»So gut wie fertig«, antwortete Abu Dun. »Wir können binnen
einer halben Stunde aufbrechen, wenn du es so eilig hast.«
Plötzlich grinste er. »Ich muss König Björn nur noch davon
überzeugen, zwei bestimmte Gepäckstücke an Bord nehmen zu
dürfen, aber ich fürchte fast, es könnte schwierig werden.« Er
machte ein nachdenkliches Gesicht. »Was meinst du? Ob Thure
sich wohl auf einen Handel einlässt, wenn ich ihm im Gegenzug
helfe, seinem Bruder die Krone wegzunehmen?«
Andrej machte ein erschrockenes Gesicht, aber die beiden
Frauen in Abu Duns Armen kicherten und strahlten ihn fröhlich
an, und Andrej fiel erst jetzt auf, dass der Nubier in seiner Muttersprache geredet hatte. Dennoch war ihm nicht wohl dabei.
»Gehen wir«, sagte er, statt auf die scherzhafte Bemerkung einzugehen, die er im Übrigen nicht komisch fand.
»So eilig?«, fragte Abu Dun. Sein Lächeln fiel in sich zusammen und eine andere, unausgesprochene Frage erschien in seinen Augen.
»Gibt es irgendeinen Grund, noch länger zu warten?«, fragte
Andrej beinahe grob.
Er setzte sich unverzüglich in Bewegung und Abu Dun zog
eine Grimasse und murmelte: »Dich hat es ja ganz schön erwischt, wie?«, folgte ihm aber gehorsam – ohne die beiden
blonden Schönheiten aus seinen Armen zu entlassen. Erst als sie
das Ende des hölzernen Steges und damit das Schiff erreicht hatten, das unter ihnen in der Dünung schaukelte, machten sie sich
los und schüttelten beide gleichzeitig die Köpfe. Andrej fragte
sich, ob sie tatsächlich alles gemeinsam und gleichzeitig taten.
Abu Dun dagegen machte ein enttäuschtes Gesicht. »Und ihr
habt wirklich keine Lust, ein Land kennenzulernen, in dem die
Sonne mehr als zwei Stunden am Tag scheint und wo man Wasser trinken kann, ohne es vorher in Stücke brechen zu müssen?«,
fragte er.
»Hör mit dem Unsinn auf«, sagte Andrej ärgerlich.
»He, he!«, protestierte Abu Dun. »Ich kann nichts dafür, wenn
sie nicht kommt, um dich zu verabschieden, Hexenmeister, also
lass deine schlechte Laune bitte nicht an mir aus! Bei Allah, du
bist ja schlimmer als ein Weib, das seine Zeit hat!«
Diesmal kommentierten seine beiden Begleiterinnen die Worte
mit einem albernen Kichern – Abu Dun hatte wohl ganz bewusst
in ihrer Sprache gesprochen – doch Andrejs Miene verdüsterte
sich nur noch mehr. Er sagte nichts, sondern sprang mit einem
Satz in das Schiff hinunter und hätte in seiner Hast um ein Haar
eine Gestalt umgerannt, die ihm entgegenkam. Im ersten Moment hielt er sie für einen der Männer, die Fässer mit Wasser
und Lebensmitteln an Bord brachten. Erst als er eine Entschuldigung murmelte und sich an ihr vorbeidrängen wollte und sie
die Hand ausstreckte, um ihm den Weg zu versperren, sah er,
dass es kein Mann war, sondern eine junge Frau mit dem schulterlangen, gelockten Haar eines Engels.
»Das dachte ich mir, dass du dich heimlich davonschleichen
willst, ohne auch nur auf Wiedersehen zu sagen«, sagte Urd
streng. »Ihr Männer seid anscheinend überall auf der Welt
gleich!« Aber ihre Augen straften ihre Worte Lügen und nahmen ihnen die Schärfe. Plötzlich stellte sie sich auf die Zehen
und küsste ihn neckisch auf die Nasenspitze.
Um ein Haar hätte er sie von sich gestoßen, einzig und allein,
um dem Drang zu widerstehen, sie einfach in die Arme zu
schließen und nie wieder loszulassen.
Stattdessen stand er wie angewurzelt.
»Was ist los mit dir, Andrej?« Urd trat einen Schritt zurück
und sah ihn argwöhnisch, wenngleich immer noch lächelnd an.
»Fällt es dir so schwer?«
»Was?« Mehr als dieses eine Wort brachte er nicht heraus.
Urd setzte zu einer Antwort an, und Andrej zwang sich, rasch
und unaufrichtig hinzuzufügen: »Ich hätte mich noch von dir
verabschiedet, aber –«
»Lüg nicht«, sagte sie spitz. »Es nutzt nichts. Du entkommst
mir sowieso nicht … und meinen Brüdern übrigens auch nicht.
Oder glaubst du ernsthaft, sie würden euch ziehen lassen, ohne
sich gebührend von zwei so gewaltigen Kriegern zu verabschieden?« Sie deutete hinter ihn, und als Andrej sich herumdrehte,
sah er tatsächlich die beiden Brüder über den Steg näher kommen. Thure wirkte so finster wie eh und je und ging langsam,
wohl aus Rücksicht auf seinen Bruder, der noch immer krank
und mitgenommen wirkte und sich nur mit Mühe voranschleppte. Nicht wie ein König, dachte Andrej … aber für einen Mann,
der eigentlich tot sein sollte, hielt er sich
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