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Das Daemonenschiff

Das Daemonenschiff

Titel: Das Daemonenschiff Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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hervorragend.
Er sprang mit einem federnden Satz – und bevor Urd noch
etwas sagen konnte – wieder auf den Steg hinauf und ging dem
ungleichen Brüderpaar entgegen. Thure wich seinen Blicken
aus, doch Björn rang sich ein gequältes Lächeln ab und versuchte, sich die Anstrengung nicht anmerken zu lassen, die der kurze
Weg für ihn bedeutet hatte. »Du hättest dir die Mühe nicht
machen müssen«, sagte Andrej. »Abu Dun und ich müssen uns
ohnehin noch von König Harald … von eurem Vater verabschieden.«
»Das wird nicht nötig sein«, sagte Thure, bevor Björn antworten konnte. »Unser Vater schläft noch. Ich fürchte, er hat dem
Met in der vergangenen Nacht doch ein wenig zu ausgiebig
zugesprochen. Doch ich soll euch noch einmal seiner Dankbarkeit versichern.« Er deutete auf das Drachenboot. Andrej spürte,
wie Urd hinter ihm auf den Steg sprang, aber er widerstand dem
Impuls, nach ihr zu sehen. »Dieses Schiff bringt euch zu König
Sören. Er ist ein freundlicher Mann und unserem Vater zu Dank
verpflichtet. Er wird euch helfen, weiterzukommen. Die Überfahrt dauert nur zwei Tage …« Er grinste unfroh. »Vielleicht
weniger, wenn ihr selbst ein wenig Hand an die Ruder legt.«
Andrej lachte ebenso unfroh wie der Nordmann und wollte
gerade antworten, als er ein schrilles Krächzen hörte und gen
Himmel sah.
Der Rabe schwebte mit weit ausgebreiteten Flügeln über dem
Dorf und tanzte, nicht wie ein Rabe, sondern einer Möwe gleich,
auf dem unsteten Wind, der vom Meer heraufblies. Urd schien
dieses Verhalten genauso ungewöhnlich zu finden wie Andrej,
denn sie blickte ihn erschrocken an. Vielleicht weckt der Anblick ja auch die gleichen Erinnerungen wie in mir, dachte Andrej, der an die gestrigen Ereignisse auf der Waldlichtung dachte. Und nur einen Augenblick später gewahrte er sogar noch ein
zweites, vollkommen gleichartiges Tier, das dicht über den
Baumwipfeln herangeflogen kam und sich mit einem misstönenden Krächzen auf dem First des Langhauses niederließ.
»Raben?«, wunderte sich Abu Dun. »Hier, so weit draußen auf
dem Meer? Ich wusste gar nicht, dass es sie hier gibt.«
»Manchmal treibt der Sturm sie auf das Meer hinaus«, antwortete Thure achselzuckend. »Die meisten ertrinken, aber ein paar
schaffen es wohl, sich auf eine Insel zu retten. Oder ein Schiff.«
Andrej schrak zusammen und hatte Mühe, sich nichts anmerken zu lassen. Thures Worte erinnerten ihn an Ereignisse, die er
lieber vergessen hätte. Und im nächsten Moment sagte auch der
Nordmann leise: »Solange es nicht Hugin und Munin selbst
sind, soll es mir recht sein.«
»Odins Raben«, sagte Abu Dun.
In Thures Augen erschien ein Ausdruck widerwilliger Anerkennung. »Du kennst dich in unserer Götterwelt aus.«
»Und nicht nur in eurer«, erwiderte Abu Dun. »Götter und
Unsterbliche sind gewissermaßen unsere Passion.«
Andrej sah alarmiert zu seinem Freund hoch. Er wusste, dass
Abu Dun es liebte, zuweilen mit dem Feuer zu spielen, doch
gerade in diesem Moment erschien es ihm äußerst unpassend.
Thure wirkte angespannt, mehr noch als sonst. Aber dann lachte
er nur leise. »Wahrlich, es ist schade, dass ihr nicht länger bleibt.
Ich bin sicher, wir hätten noch eine Menge interessanter Gespräche führen können.« Er räusperte sich, sah den Nubier noch einen
kurzen Moment mit aufgesetztem Lächeln an und wandte sich
dann direkt an Andrej: »Und ich muss dich um Verzeihung bitten,
Andrej Delãny. Ich wollte dich gewiss nicht in etwas hineinziehen, was nicht deine Sorge ist. Bitte behalte uns nicht in zu
schlechter Erinnerung.« Plötzlich zwinkerte er Andrej beinahe
verschwörerisch zu. »Und vor allem nicht unsere Schwester.«
Andrej lächelte nicht, sondern zog nur die Augenbrauen hoch.
Er fand Thures Bemerkung nicht amüsant, sondern fühlte sich
eher peinlich berührt … und Urd anscheinend auch, wenn er das
ärgerliche Aufblitzen in ihren Augen richtig deutete. Der Rabe
über ihnen krächzte empört.
»Ich wollte nur, dass du das weißt«, fuhr Thure fort, als ihm
klar wurde, dass seine Bemerkung die Stimmung nicht auflockerte, »und dass ich dir dankbar bin, dass du keine Partei ergriffen hast, gestern Abend. Ich habe darauf gehofft, wenn ich
ehrlich sein soll – aber ich bin froh, dass du es nicht getan hast.
Du hast mich vor einer großen Dummheit bewahrt.«
»Ja, so scheint es«, sagte Andrej kühl. Wieder fiel ihm auf,
wie unglücklich Björn aussah. »Dann gibt es ja keinen Grund,

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