Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Daemonenschiff

Das Daemonenschiff

Titel: Das Daemonenschiff Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
Vom Netzwerk:
warum!«
Harald sah ihn einige Herzschläge lang aus eng zusammengekniffenen Augen durchdringend an. »Wir wissen gar nichts,
Thure.« Thure wollte widersprechen, doch der alte Mann schnitt
ihm mit einer zornigen Geste das Wort ab. »Die Welt ist groß.
Gerade eben haben wir Gäste aus einem Land, von dem noch
nie einer von uns auch nur gehört hatte! Wer will schon sagen,
welche Kreaturen es gibt?«
Andrej verstand zwar, warum Harald das sagte, aber ihm wäre
trotzdem wohler gewesen, wenn er Abu Dun und ihn nicht in
einem Atemzug mit jenem unheimlichen Was auch immer
genannt hätte, das für den grausigen Tod des Schafes auf dem
Schild zwischen ihnen verantwortlich war.
»Warum weigerst du dich, das Offensichtliche zu akzeptieren,
Vater?«, fragte Thure. »Du weißt so gut wie ich, was das zu
bedeuten hat. Sie sind auf uns aufmerksam geworden und sie
werden kommen. Vielleicht finden wir demnächst einen von uns
so, und –«
»Schweig!«, sagte Harald scharf. »Noch ist nichts geschehen,
außer dass ein Schaf zu Tode gekommen ist. Wir werden
wachsam sein, aber ich dulde nicht, dass du die Gedanken der
Männer mit deinen Geschichten verwirrst.«
Seine Stimme war so scharf und befehlend wie am gestrigen
Abend, doch dieses Mal gelang es ihm nicht, seinen Sohn zum
Schweigen zu bringen. Thure schürzte nur abfällig die Lippen
und fuhr mit bebender Stimme fort: »Ich weiß deine Absichten
zu schätzen, Vater. Du herrschst nun schon so lange im Frieden
über uns, dass du glaubst, dieser Zustand würde ewig anhalten.
Aber es nützt keinem, die Augen vor der Wahrheit zu verschließen. Das da –« Er deutete heftig gestikulierend auf das tote Tier.
»– ist das Werk Nagelfahrs! Er ist auf dem Weg hierher! Willst
du, dass er uns alle tötet?«
Andrej seufzte innerlich und bereitete sich auf einen erneuten
Streit zwischen den beiden ungleichen Männern vor, doch der
alte König reagierte ganz anders, als er erwartet hatte. Er atmete
tief ein und schüttelte traurig den Kopf. »Keine Macht der Welt
könnte uns retten, wenn es wirklich der Wille der Götter wäre,
mein Sohn. Was geschehen wird, wird geschehen.«
Thure lachte hässlich. So sollte kein Sohn über seinen Vater
lachen, dachte Andrej, selbst wenn er alt und schwach und
möglicherweise schon ein bisschen wirr im Kopf war. »König
Harald!«, antwortete Thure. »Ich ehre und respektiere dich. Du
warst über lange Jahre ein guter König, der sein Volk mit
Weisheit regiert hat. Doch allmählich beginne ich mich zu
fragen, ob du vielleicht zu alt wirst.«
Harald reagierte auch jetzt nur mit einem Lächeln. »Und was
genau willst du damit sagen, mein Sohn?«, erwiderte er ruhig.
»Vielleicht sind deine Schultern nicht mehr stark genug, um
die Last der Verantwortung zu tragen«, antwortete Thure. Ein
Schaudern ging durch den Raum. Plötzlich richteten sich alle
Blicke auf Thure und seinen Vater, und Andrej bemerkte, wie
sich die eine oder andere Hand zum Gürtel senkte, keine einzige
davon die Bewegung jedoch zu Ende führte. Er tauschte einen
raschen Blick mit Abu Dun, und der Nubier trat unauffällig an
seine Seite. Seine Hand schloss sich um den Schwertgriff, und
auch Andrej tastete unter dem Tisch insgeheim nach seiner Waffe. Er hatte eine ungute, wenn auch genaue Vorstellung davon,
was als Nächstes passieren würde. Es war nicht das erste Mal,
dass er so etwas erlebte.
»Du zweifelst an meinem Entschluss?«, fragte Harald. Er
nickte betrübt. »Du willst meine Krone.«
»Nein!«, antwortete Thure heftig. »Aber ich bezweifle, dass es
der Wille der Götter ist, dass wir uns kampflos in unser Schicksal ergeben. Wäre es so, wozu hätten sie uns das Eisen gegeben,
um Schwerter daraus zu schmieden. Warum würden sie uns
Hilfe schicken, gerade in dem Moment, in dem wir sie am
nötigsten brauchen?«
Andrej zuckte zusammen, und auch Harald sah ihn und Abu Dun
kurz nachdenklich an, schüttelte aber dann nur noch einmal den
Kopf und seufzte tief. »Vielleicht hast du recht, Thure«, sagte er
traurig. »Ich bin alt. Die Last, für das Wohl eines ganzen Volkes zu
sorgen, ist mir schon lange zu schwer geworden. Möglicherweise
ist auch die Krone zu schwer für mein Haupt.« Er sah seinen Sohn
lange schweigend an und niemand im Raum gab auch nur einen
Laut von sich. Andrej kam es vor, als hielten alle den Atem an, bis
der alte König erneut sprach: »Ich bin zu einem Entschluss gekommen. Nicht erst jetzt. Ich hätte es schon lange

Weitere Kostenlose Bücher