Das Daemonenschiff
Frauen versuchten ebenso verzweifelt wie vergeblich, die Flammen zu löschen. Überall lagen Tote und Verletzte.
Frauen beugten sich weinend über reglose Gestalten oder
kümmerten sich um Verwundete, und längst nicht jeder schien
begriffen zu haben, dass der Kampf vorbei war. Ein paar Frauen
und Kinder rannten noch immer kopflos und schreiend herum,
und überall waren Krieger zu sehen, die scheinbar ebenso ziellos
herumirrten, in Wahrheit wohl aber nach weiteren Daugern
suchten, die sich noch irgendwo versteckt haben mochten.
Andrej glaubte das nicht. So warnungslos und brutal dieser
Überfall auch gewesen war, so sinnlos war er auch gewesen.
Mehr als zweihundert Krieger hielten sich zurzeit im Dorf auf.
Ohne Abu Dun, Thure und ihn hätten die Angreifer möglicherweise ein Blutbad unter den ahnungslosen Trauergästen
angerichtet – aber sie hätten sich nicht ernsthaft einbilden
können, gegen eine solche Übermacht zu gewinnen.
Aber vielleicht hatten sie das auch gar nicht gewollt …
Was waren das für Gedanken?, dachte Andrej entsetzt. Für
einen Moment empfand er Ekel vor sich selbst. Urd starb, und
alles, woran er denken konnte, war das? Als ob es von Bedeutung wäre, ob diese Fremden, dieses Dorf oder die ganze
verdammte Welt zum Teufel ging!
Doch er wusste auch, dass er sich nur selbst schützen wollte,
vor dem unerträglichen Schmerz, den Urds Verlust ihm bedeuten würde. Vielleicht wäre er daran zerbrochen, hätte er
versucht, sich ihm in diesem Moment zu stellen.
Aber auch das war kein Trost.
Auf dem letzten Stück blieb Abu Dun plötzlich stehen. Andrej
sah ihn fragend an, und der Nubier druckste einen Moment lang
wie ein unbeholfenes Kind herum und machte schließlich eine
vage Handbewegung in eine unbestimmte Richtung. »Ich muss
Björn finden. Wir …« Er fuhr sich nervös mit dem Handrücken
über das Kinn, und Andrej bemerkte erst jetzt die tiefe, klaffende Wunde an seinem Handgelenk. »Es ist besser, wir stellen ein
paar Trupps zusammen, die die nähere Umgebung absuchen.
Wer weiß, wie viele von diesen … Dingern hier noch lauern.«
Nicht ein Einziger, dachte Andrej. Abu Dun wusste das so gut
wie er. Aber er konnte auch verstehen, dass der Nubier ihn nicht
in Thures Schmiede begleiten wollte. Auch er selbst hatte in
diesem Moment vor nichts auf der Welt mehr Angst als davor,
durch diese Tür zu treten. Aber er würde es sich nie verzeihen,
wenn er es nicht tat.
»Abu Dun«, sagte er, als der Nubier sich herumdrehen und
gehen wollte. Abu Dun verharrte noch einmal mitten in der
Bewegung und sah ihn abwartend an.
»Nimm keinen von ihnen. Ganz egal, was passiert.«
Jetzt sah er echten Schrecken in Abu Duns Augen, doch er
nickte bloß und war im nächsten Moment in der Menschenmenge verschwunden.
Andrej wappnete sich gegen das, was er sehen würde, trat
durch die Tür und musste feststellen, dass es Dinge gab, auf die
man sich nicht vorbereiten konnte. Die Schmiede war von einem
Dutzend knisternder Fackeln taghell erleuchtet und viele
Menschen hielten sich in dem nach Rauch und verbranntem
Holz riechenden Raum auf. Die meisten schienen nur nutzlos
herumzustehen oder taten beschäftigt, hinter der jetzt erkalteten
Esse aber gewahrte er Thures breiten, gebeugten Rücken.
Andrej eilte zu ihm, wobei er ganz gegen seine sonstige Art
zwei oder drei Männer, die ihm nicht schnell genug Platz
machten, grob aus dem Weg stieß, und der bittere Kloß in
seinem Hals war wieder da, als er das schmale Bett sah, neben
dem Thure kniete. Urd lag lang ausgestreckt und zu Andrejs
ungläubigem Erstaunen immer noch mit offenen Augen und bei
Bewusstsein darauf. Thure hatte ihr Kleid vollends aufgerissen,
sodass die beiden Hälften ihren Körper wie ein Paar schlaffer,
blutbesudelter Flügel umgaben. Die Wunde in ihrer Brust
blutete noch immer, wenn auch nicht mehr so heftig wie zuvor,
aber in dem Anblick war keine Hoffnung. Sie hatte nicht mehr
viel Blut, das sie verlieren konnte, begriff er. Unendlich behutsam streckte er seine unsichtbare Hand aus und tastete nach
ihrer Lebensflamme. Sie war nahezu erloschen, kaum noch ein
mattes Glimmen, wo ein strahlendes Feuer sein sollte.
»Wo bleibt Werdandi?«, brüllte Thure, ohne den Blick zu
heben.
»Ich bin schon da«, antwortete eine Stimme hinter Andrej.
Plötzlich war er es, der grob zur Seite gestoßen wurde, mit einer
Entschlossenheit und Kraft, die ihn überraschte, als er die
grauhaarige, schmale Frauengestalt sah, die
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