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Das Daemonenschiff

Das Daemonenschiff

Titel: Das Daemonenschiff Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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gewesen.
    Aber Andrej wusste auch, dass das nicht geschehen würde. So
verrückt es ihm auch erschien: Er wusste, dass er auf Odins
Wort vertrauen konnte. Vermutlich war er, so unglaublich es
klang, so etwas wie ein Ehrenmann. Ein Mann, der zu seinem
Wort stand. Bis das erste Schiff von hier ablegte, war das Dorf
sicher.
    Er musste über einige schlafende Männer hinwegsteigen, um
die Schmiede zu erreichen, aber die beiden Posten rechts und
links der Tür versuchten nicht mehr, ihn aufzuhalten. Der eine
war tatsächlich im Stehen eingeschlafen, der andere zwar noch
wach, aber er brachte nur noch die Kraft auf, ihm einen matten
Blick zuzuwerfen, den Andrej mit einem eisigen Lächeln
beantwortete. Dann ging er an ihm vorbei.
    Auf den ersten Blick schien sich nichts geändert zu haben. Es
war ein wenig dunkler geworden. Die Hälfte der Fackeln war
erloschen, und niemand hatte sich die Mühe gemacht, sie gegen
frische auszutauschen. Es roch schlecht, nach brennendem Holz
und Kohle und nach Blut und Krankheit. Urd lag in scheinbar
unveränderter Haltung auf dem schmalen Bett, hatte aber die
Augen geschlossen, und jemand war so barmherzig gewesen,
eine Decke über sie zu breiten. Sie war sehr blass. Aber wenigstens lebte sie noch.
    Werdandi saß gemeinsam mit einer zweiten Frau (Andrej
vermutete, dass es sich um Skuld handelte. Sie war nicht so alt
wie sie, aber auch nicht so jung wie Urd) auf der anderen Seite
des Bettes. Das Geräusch seiner Schritte ließ sie den Kopf
heben. Im ersten Moment schien sie Mühe zu haben, den
Anblick seines Gesichtes mit einer Erinnerung zu verbinden.
Dann erschien ein Ausdruck erschöpfter Verärgerung auf ihren
faltigen Zügen.
    »Andrej Delãny«, begann sie in strafendem Ton. »Ich dachte,
ich hätte dir gesagt, dass –«
»Ich weiß, was du gesagt hast«, unterbrach sie Andrej. »Wie
geht es ihr?«
Statt zu antworten, holte Werdandi Luft zu einem noch schärferen Verweis, doch Skuld legte ihr rasch die Hand auf den
Unterarm und sah ihrerseits zu Andrej hoch. Ihr Gesicht war so
müde und abgekämpft wie das der Alten, aber es dauerte noch
einmal einen Moment, bis es Andrej wirklich auffiel, dann aber
war es so deutlich, dass er sich verblüfft fragte, wie er es auch
nur einen einzigen Augenblick lang hatte übersehen können.
»Du bist ihre Tochter«, murmelte er mit einer Geste auf Werdandi. Die Alte funkelte ihn verärgert an, aber Skuld nickte,
rang sich ein müdes, dennoch sehr warmes Lächeln ab und
deutete auf das schlafende Mädchen. »Und ihre Mutter.«
Und die Ähnlichkeit zwischen ihnen war womöglich noch
größer, dachte Andrej verstört, die Zeit hatte Skulds Gesicht
weder so gezeichnet wie das der Alten, noch hatte sie ihren
Blick so verhärtet.
Er wartete einen Moment lang vergebens darauf, dass eine der
beiden Frauen etwas sagte, trat dann ganz an das Bett heran und
ließ sich auf ein Knie herabsinken, um die Hand nach Urds
Gesicht auszustrecken. Werdandi runzelte ärgerlich die Stirn,
doch Andrej hielt nicht deshalb inne. Er lauschte in sie hinein,
und er war nicht überrascht, die Lebensflamme wieder ein
wenig kräftiger brennen zu spüren.
»Sie wird überleben«, sagte Skuld.
»Ich weiß«, antwortete Andrej. Skuld blickte fragend, und ihm
selbst fiel auf, wie bitter seine Stimme geklungen hatte. Keine
Sorge – sie wird leben.
»Die Götter waren gnädig zu ihr«, fügte Werdandi hinzu.
Andrej musste sich beherrschen, um darauf nicht zu antworten –
und sei es nur mit einem zornigen Blick –, und Skulds Verwirrung wurde größer. Andrej konnte ihr ansehen, wie sie sich in
Gedanken eine Frage stellte und sie dann selbst mit einem
erschrockenen Kopfschütteln beantwortete. Bevor eine der
beiden Frauen etwas sagen konnte, stand er auf und streifte den
Mantel von den Schultern. Obwohl auch jetzt in der Esse hinter
ihnen kein Feuer brannte, war es sehr warm. »Ihr müsst müde
sein«, begann er in verändertem Ton. »Ihr habt die ganze Nacht
an ihrem Bett gewacht.. Wenn ihr wollt, löse ich euch für eine
Weile ab, damit ihr schlafen könnt.«
»Ich brauche nicht mehr viel Schlaf in meinem Alter«, antwortete Werdandi, und auch Skuld schüttelte, wenngleich nicht so
feindselig wie ihre Mutter, den Kopf.
»Du musst ebenso müde sein wie wir, Andrej. Und der Kampf
ist vielleicht noch nicht vorbei. Urd ist stark, aber die Klinge des
Daugers hat ihr Herz nur um Haaresbreite verfehlt. Es mag sein,
dass unsere Hilfe noch

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