Das Daemonenschiff
gewesen war, und
die Erkenntnis dieses Verlustes war so schmerzhaft, wie er es
nicht erwartet hätte. Du bist zu stolz, und zu hart gegen dich
selbst. Aber ich kann spüren, wie deine Seele weint. Die Erinnerung an diese Worte erfüllte ihn mit kaltem, entschlossenem
Zorn.
Andrej setzte sich auf, bückte sich nach seinem Hemd und
legte ärgerlich die Stirn in Falten, als er den hässlichen Riss in
dessen Seite gewahrte. Der dünne Stoff war von seinem eingetrockneten Blut hart geworden, ein Anblick, der an einem Tag
wie diesem Tag nichts Außergewöhnliches war. Aber der Riss
war auch lang genug, dass jedermann sehen konnte, wie
unversehrt seine Haut darunter war. Noch gestern hätte dieser
Umstand Andrej Sorgen bereitet. Jetzt war er ihm gleichgültig.
Er zog sich an, verließ das Haus und steuerte das gegenüberliegende Gebäude an, in dem Abu Dun schlief. Anders als in den
vergangenen Nächten lagen die meisten Häuser dunkel da.
Hinter kaum einem Fenster war Licht, obwohl Andrej spürte,
dass der Tag noch nicht lange vorüber sein konnte. Auch die
meisten Feuer, die er sah, brannten nur mit kleinen, zögerlichen
Flammen, gerade hoch genug, um der Kälte, die mit der früh
hereingebrochenen Nacht heranstürmte, ihren ärgsten Biss zu
nehmen, und er sah noch immer sehr viele im Schlaf zusammengerollte Gestalten. Die Menschen holten die Ruhe nach, die
sie so bitter nötig brauchten. Hinter dem schmalen Fenster von
Abu Duns Quartier jedoch gewahrte er den ruhigen gelben
Schein einer Kerze. Er trat ein, ohne anzuklopfen.
Der Nubier lag mit geschlossenen Augen und in seinen Kleidern auf dem Bett. Rechts und links von ihm lagen die beiden
jungen Frauen, auch sie bekleidet, und kuschelten sich in seine
starke Umarmung, als suchten sie in dieser Nacht nichts anderes
als Schutz in seiner Nähe.
Obwohl er sicher war, die Tür so leise wie möglich geöffnet zu
haben, schlug Abu Dun die Augen auf und sah ihn einen
Moment lang durchdringend an. Er bedeutete ihm, still zu sein,
und brachte das Kunststück fertig, die Arme unter dem Rücken
der beiden Frauen hervorzuziehen und trotz seiner Massigkeit
und Größe so behutsam und leise aufzustehen, dass sie nicht
einmal wach wurden. Bevor er sich zu Andrej umwandte,
breitete er eine Decke über ihnen aus; eine Geste, die Andrej bei
diesem großen Mann, der stets Wert darauf legte, möglichst
Furcht einflößend zu wirken, auf sonderbare Weise anrührend
fand. Erst als sie das Haus verlassen und Abu Dun die Tür
lautlos hinter sich zugezogen hatte, wandte er sich an Andrej
und brach sein beharrliches Schweigen.
»Ich hätte damit gerechnet, dich bei dem Mädchen zu finden.«
»Ich bin auf dem Weg dorthin«, antwortete Andrej. »Aber ich
muss mit dir sprechen.«
»Das trifft sich gut. Ich nämlich auch mit dir, Hexenmeister.«
Andrej sah ihn fragend an, und Abu Dun fuhr fort, indem er
mit bedächtigen Schritten die Schmiede ansteuerte: »Diese
Leute hier haben ein Problem.«
Andrej nickte nur. Er fragte sich, ob Abu Dun von seinem
Treffen mit der selbst ernannten Gottheit wusste, verneinte diese
Frage aber auch gleich darauf in Gedanken. So sehr Abu Dun es
liebte, den groben Kerl, den geheimnisvollen Krieger zu spielen,
hatte er ihm doch nie etwas vormachen können. »Ich weiß«,
antwortete er mit einiger Verspätung.
»Thure hat dir seinen toten Bruder gezeigt?«, vermutete Abu
Dun.
»Den Dauger. Ja.«
Eine dunkle Wolke zog über Abu Duns Gesicht. »Sie hätten
uns sagen können, dass wir es mit Untoten zu tun haben. Das
hätte die Sache vielleicht ein bisschen leichter gemacht.«
Untote? Andrej war nicht sicher, ob das der richtige Ausdruck
war. Er hatte die Seelen der Männer gespürt. Er hatte ihre
Lebenskraft geschmeckt, auch, wenn sie von etwas Fauligem
durchdrungen und längst zu etwas anderem gemacht worden
waren, so war es doch die Lebensflamme eines Menschen
gewesen, nicht einer bedauernswerten Seele, der eine bösartige
Macht den Übergang in die andere Welt verwehrt hatte.
Wenn es denn so etwas wie eine andere Welt gab. Dessen war
sich Andrej immer weniger sicher, je mehr er sich mit dem
Gedanken beschäftigte.
»Und?«, fragte er nur.
»Eigentlich wollte ich dir diese Frage stellen«, gab Abu Dun
zurück. »Was tun wir?«
»Tun?« Andrej versuchte vergeblich, Unverständnis zu heucheln. Abu Dun zog nur verärgert die Augenbrauen zusammen.
»Wir könnten Ihnen helfen«, sagte Andrej schließlich. »Aber ich
bin nicht
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