Das Dämonentor
sich über Carlumen, freilich ohne Schaden anzurichten.
»Jetzt!« schrie die Kriegsherrin.
Mehrere Katapulte wurden ausgelöst. Seine Steine und glühende Holzscheite gingen rings um die Angreifer nieder.
»Zielt gefälligst besser! So werden wir niemals durchbrechen.«
Gierig lauerte der Nebel über dem Wasser. Die fliegende Stadt tauchte darin ein wie in eine andere Welt. Seltsam verzerrt klangen alle Geräusche. Von Kaytim waren nur mehr schattenhafte Umrisse zu erkennen.
Irgendwo knatterten Segel im Wind. Zu sehen war so gut wie nichts. Schwer lag Carlumen auf den Wellen.
»Ich fühle sie«, sagte Fronja unvermittelt. »Sie sind ganz nahe.«
Zwei Herzschläge später brachen die Tatasen aus dem Brodem hervor. Diesmal näherten sie sich von achtern. Zwei jeweils dreißig Schritt lange Doppelrumpfschiffe schoben sich so schnell heran, daß den überraschten Verteidigern keine Zeit blieb, die Katapulte auszurichten.
Enterhaken verkrallten sich in der Schwammscholle oder an den hölzernen Barrikaden. Die Schiffe lagen tief im Wasser. Hundert Krieger oder mehr mochten mit ihnen gekommen sein, und ihr Vorgehen war gut abgestimmt. Durch Bogenschützen gedeckt, kletterten die ersten bereits an den Tauen empor.
Überall entbrannten heftige Kämpfe.
Zwei von Tertishs Amazonen bedienten den Wurfbock über der Brücke. Aber noch ehe sie ihn auf das neue Ziel gerichtet hatten, wurden sie von Speeren niedergestreckt.
Mit einem zornigen Kampfschrei auf den Lippen, stürmte die Kriegsherrin jenen Tatasen entgegen, die sich soeben über das rechte Widderhorn emporzogen.
Dann sprachen die Klingen. Tertish kämpfte wie eine Besessene. Mit nur einem Arm erwehrte sie sich vier Angreifern zugleich. Fronja, die ihr gefolgt war, zog die anderen Krieger auf sich.
Die Tochter des Kometen focht kaum schlechter als eine Amazone. Ohne zu zögern, griff sie an, brachte zwei Tatasen zu Fall und die anderen dazu, daß sie den Sprung ins Meer dem raschen Tod vorzogen.
Als sie sich endlich schwer atmend mit dem Handrücken den Schweiß von der Stirn wischte, bemerkte sie, daß Tertish ihr interessiert zugesehen hatte.
»Gut gemacht«, lobte die Kriegsherrin. »Du kämpfst fast schon wie eine von uns.«
Mythor hatte indessen von mehreren Rohnen Hilfestellung erhalten und das Katapult ausgerichtet. Kopfgroße, scharfkantige Steine lagen im Wurflöffel; sie zerfetzten die Segel eines Katamarans und zersplitterten einen Mast.
Das zweite Schiff brannte und blieb langsam hinter Carlumen zurück.
»Wir schaffen es!« rief Gerrek, daß seine Stimme weithin hallte. »Wir durchbrechen ihre Linien.«
*
Gleich darauf hob ein Sturm an, wie ihn schlimmer noch keiner an Bord erlebt hatte. Die Dämonenpriester griffen mit ihrer ganzen Macht an. Haushohe, schäumende Wogen schlugen über Carlumen zusammen, die fliegende Stadt wurde umhergewirbelt wie ein welkes Blatt im Herbstwind.
»Alle unter Deck!« Der Sturm riß Tertish die Worte von den Lippen und ließ sie ungehört verhallen. Verzweifelt klammerte sie sich an der Verankerung des Katapults fest. Mythor und Fronja waren dicht neben ihr. Eine eisige Kälte nahm ihnen den Atem und ließ sie erschaudern.
Carlumen stampfte und schlingerte. Längst waren die Flugdrachen und Beiboote aus ihren Verankerungen gerissen worden. Mannsgroße Planken wirbelten wie dünne Äste durch die Luft.
Ein Splitter streifte Mythors linken Oberarm. Der jähe Schmerz ließ ihn fast die Besinnung verlieren. Fronja schrie etwas – er sah, daß sie die Lippen bewegte, aber er konnte sie nicht verstehen. Furcht flackerte in ihren Augen. Mit einer Hand packte sie ihn und zog ihn enger an sich. Mythor tastete nach seiner Wunde. Entsetzt stellte er fest, daß ein Stück Fleisch fehlte.
Vielleicht waren es wirklich nur Augenblicke, vielleicht aber auch Stunden, die sie in dieser hoffnungslosen Lage zubrachten. Irgendwann ließ jedoch das Tosen des Sturmes nach. Als der Kometensohn mühsam den Blick hob, sah er Glair, die See- und Wetterhexe, auf dem Stumpf des Lebensbaums stehen. Ein seltsames Leuchten umspielte ihren Körper. Sie hatte die Arme ausgebreitet und das Gesicht zum Himmel emporgewandt, um beschwörend auf die entfesselten Elemente einzuwirken.
Endlich begriff Mythor, daß es ruhig geworden war. Eine unheimliche Stille breitete sich aus, als würde er träumen. Aber die in seinem Arm tobenden Schmerzen bewiesen, daß dies Wirklichkeit war.
Der Nebel riß auf. Nicht allzu weit entfernt glitten
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