Das Dämonentor
rasch breiter werdender Riß zog sich quer durch die fliegende Stadt, und ungefähr auf der Höhe des Turmes spaltete sich das Heck ab. Aus dem Stand heraus sprang der Sohn des Kometen auf die andere Hälfte. Er hatte gesehen, daß Berbus, der Anführer der Siebenerschaft Wälsen, Seite an Seite mit Agon und Lonsa den frischen Trieb am Baum des Lebens gegen eine erdrückende Übermacht verteidigte.
Mit der Wut der Verzweiflung fiel Mythor den Tatasen in den Rücken und verschaffte den Wälsen so ein wenig Luft.
Berbus hatte sein Rundschild längst weggeworfen und führte die Streitaxt beidhändig. Auch die Schwertkämpfer an seiner Seite entwickelten ungeahnte Kräfte. Aber die Tatasen drangen weiter auf sie ein.
»Sie sind nicht wirklich unsere Feinde«, keuchte Mythor. »Die Dämonenpriester…«
Das Heck der fliegenden Stadt versank in den aufwallenden Fluten. Einige Carlumer versuchten noch, schwimmend den anderen Teil zu erreichen – nacheinander wurden sie Opfer tückischer Strudel. Seeungeheuer tauchten aus der finsteren Tiefe empor – für sie gab es reichlich Beute.
Erschüttert wandte Mythor sich ab.
»Wie viele von uns mögen noch am Leben sein?« fragte er.
»Ich weiß es nicht«, erwiderte der Hepton. »Die Hälfte, kaum mehr.«
Auch der Bug begann zu sinken, weil die unteren Räume überflutet wurden. Mythor hastete zum Kastell hinauf. Mehrmals mußte er sich gegen Tatasen zur Wehr setzen. Blindlings schlug er zu. Aber er mußte weiter, durfte keineswegs die DRAGOMAE-Kristalle den Gegnern überlassen. Sie waren sein letzte Hoffnung.
Ein jäher, brennender Schmerz in seiner Hüfte ließ ihn straucheln. Schwer schlug er zu Boden, Fronjas Klinge entglitt seiner Hand. Ein Pfeil hatte ihn getroffen. Mythor zog an dem Schaft; die Widerhaken der Spitze bohrten sich nur noch tiefer in seine Seite. Vorübergehend wurde ihm schwarz vor Augen. Als er wieder zu sich kam, brach er den Schaft mit einer einzigen ruckartigen Bewegung ab.
Auf allen vieren kroch er Vorwärts. Unsagbarer Überwindung bedurfte es, nicht einfach liegen zu bleiben und auf das unvermeidliche Ende zu warten. Wie aus weiter Ferne drang der Kampflärm an sein Ohr.
Die Treppe… Mühsam schleppte er sich weiter, versuchte, sich aufzurichten. Aber er verlor das Gleichgewicht und stürzte kopfüber die Stufen hinab.
Irgendwo auf dem untersten Absatz blieb er verkrümmt liegen. Sein Atem ging kurz und heftig, er konnte kaum mehr erkennen, was um ihn her geschah. Doch er spürte, daß das Wasser langsam höher stieg.
Er würde ertrinken, wenn er nicht auf die Beine kam. Seine tastenden Hände berührten etwas Weiches. Es war der leblose Körper des Beuteldrachen.
Mythor empfand nichts mehr dabei. Er fühlte sich leer und ausgebrannt.
Fackelschein tanzte über die Wände, als er sich mühsam auf die Knie hochstemmte. Die Helligkeit kam von der Brücke.
Seine jähe Hoffnung verwandelte sich in grenzenloses Entsetzen, als er Tatasen auf sich zukommen sah. In ihren Händen funkelten die Bruchstücke des DRAGOMAE, des Zauberbuchs der Weißen Magie.
Mythor schrie auf.
*
Sanft, doch nachdrücklich zugleich, legte sich eine zarte Hand auf seinen Mund und erstickte den Schrei. Mit einem Röcheln brach Mythor ab, gleich darauf schlug er zögernd die Augen auf.
Ein lächelndes Antlitz, eingerahmt von goldgelbem, vollem Haar, beugte sich über ihn, und ein roter Mund hauchte ihm einen flüchtigen Kuß auf die Stirn.
»Fronja…« Es fiel ihm schwer, den Namen zu formen. Sein Blick huschte durch den engen Raum, der nur von wenigen Lichtstrahlen erhellt wurde.
»Wo – bin ich?«
»Das haben die anderen auch zuerst gefragt. Wir haben es geschafft, Mythor.« Fronja setzte ihm ein Gefäß an die Lippen, und er trank mit hastigen Zügen. Belebend rann die Flüssigkeit durch seine Kehle.
Außer der Tochter des Kometen kauerten noch Gerrek, Glair, die sieben Wälsenkrieger und zwei Rohnen in dem kleinen Raum. Mythor versuchte, sich ihrer Namen zu entsinnen: Gruuhd und Erroy hatten sich während der Ausbildung besonders hervorgetan und sollten nun Erfahrungen sammeln.
Und da war auch noch Prinz Taremus, der rechtmäßige Thronfolger von Tata, dessen leiblicher Vater, König Urus, vom Dämon Catrox beherrscht wurde.
» Carlumen ist vernich…«, begann Mythor, schwieg jedoch abrupt, als er sich der Unstimmigkeiten bewußt wurde. Er vergrub den Kopf in beide Handflächen und atmete tief und gleichmäßig. Die Benommenheit verflog nun
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