Das Dämonentor
hervorbrechen würden.
Der Boden unter ihren Füßen wirkte wie festgestampft; wer ihn genauer ansah, konnte feststellen, daß das Erdreich mit einer dünnen, gläsernen Schicht überzogen war. Selbst ein Messer glitt daran ab, ohne Kratzer zu hinterlassen.
»Das ist Dämonenblut, hat man uns gesagt«, erklärte Tobar. »Von Zeit zu Zeit quillt eine zähe Masse aus dem Tor hervor, die schnell verhärtet. Sie dient als Fundament für die ganze Tempelanlage.«
Der laue Wind, der von der Felswand her wehte, brachte einen monotonen Singsang mit. Die Melodie ging ins Blut. Erschreckt bemerkte Aeda, daß sie im Begriff war, sich im Rhythmus der Töne zu wiegen. Es bedurfte einiger Selbstbeherrschung, dem Einfluß zu widerstehen.
Hinter dem nächsten Säulengang zuckte Feuerschein auf. Düsterer Rauch kräuselte sich in den Himmel.
Ehe jemand sie zurückhalten konnte, eilte Aeda darauf zu. Tobar und die beiden Steinmänner folgten ihr.
Als sie endlich die Opferstätte einsah, prallte Aeda entsetzt zurück.
Auf einem lodernden Scheiterhaufen war ein Mensch angebunden.
Noch hatten die Flammen ihn nicht erreicht, aber viel Zeit blieb nicht.
»Wir müssen ihm beistehen.«
»Nein.« Tobar hielt die Frau am Arm zurück, als sie auf die Reihen der am Boden kauernden Tempeldiener zueilen wollte.
»Willst du ihn verbrennen lassen?«
»Es ist eine Puppe.«
»Was?«
»Eine Puppe«, wiederholte Tobar. »Verdammt, bleib endlich stehen.« Die ersten Flammen züngelten an dem vermeintlichen Opfer empor. Nun zeigte sich deutlich, daß es sich um die täuschend ähnliche Nachbildung eines Menschen handelte. Wie Zunder loderte das Stroh auf, mit dem die leblose Hülle ausgestopft war.
Aeda atmete tief durch und seufzte.
»Was soll das Ganze?«
»Die Handlung hat symbolischen Gehalt«, sagte Tobar. »Jeden Tag wird eine solche Puppe geopfert. Die Geister des Windes verstreuen ihre magische Asche in alle Himmelsrichtungen, wie eines nicht mehr fernen Tages auch die Lichtwelt zu Asche vergehen soll.«
»Catrox wird das jedenfalls nicht mehr erleben«, zischte Aeda verächtlich.
»So kommen wir kaum an ihn heran«, gab Tobar zu bedenken.
»Was heißt das?«
»Wir sind nicht mehr weit von den Unterkünften der Krieger und dem Heerlager entfernt. Zwischen dem eigentlichen Tempel von Tattaglin, der um das Dämonentor her errichtet wurde, und dem äußeren Bezirk sollen die Shrouks sich erst sammeln, um dann gemeinsam auszuschwärmen.«
»Die Shrouks sind noch nicht da…«
»Aber tatasische Krieger, die keinen durchlassen werden, der nicht mindestens die Kleidung von Novizen trägt.«
»Dann besorgen wir uns eben solche Umhänge.«
»Natürlich«, nickte Tobar. »Nur müssen wir vorsichtig sein und dürfen vor allem nicht auffallen.«
»Wie wär’s mit dem da?« Aeda blickte einem Tatasen hinterher, der in etwa ihre Statur besaß. Ihre Rechte ruhte dabei auf einem der Wurfmesser.
»Nicht hier«, widersprach Tobar. »Es gibt einen besseren Ort, an dem wir die Diener unauffällig überwältigen können.«
Ausgerechnet eine mächtige Dämonenstatue, eine Skulptur aus schwarzem Fels, meinte er damit.
*
Ein schwerer, süßlicher Geruch lag in der Luft, der die Gedanken verwirrte. Aeda begann lautstark von ihren Absichten zu erzählen. Zum Glück reagierte Tobar schnell genug und preßte ihr seine Hand auf den Mund.
»Flach atmen«, raunte er ihr zu.
Sie brauchen nicht lange zu warten, bis zwei Tatasen erschienen, um dem Standbild zu huldigen.
»Manchmal antwortet der Stein«, flüsterte Tobar. »Die, zu denen er spricht, werden in den Priesterstand erhoben. Sie genießen das Vorrecht, als Dämonisierte herumzulaufen.« Angewidert schüttelte er sich.
Sadagar und Necron schlugen die beiden Tatasen hinterrücks nieder.
In Windeseile warfen sie sich dann deren bodenlange Kutten über.
»Sie werden uns verraten, sobald sie wieder zu sich kommen.«
Tobar lächelte nur. Als er flüchtig über die Statue hinwegtastete, entstand eine bis dahin verborgene Öffnung in deren Schoß.
»Es ist lange her, daß ich diesen Zugang entdeckte«, sagte er. »Ich weiß auch nicht, wozu er dient, aber niemand, der im Innern eingeschlossen ist, vermag sich aus eigener Kraft zu befreien.«
Sie legten die Bewußtlosen in eine Ecke, nachdem sie sich davon überzeugt hatten, daß beide keinesfalls ersticken würden. Gerade noch rechtzeitig, denn schon näherten sich weitere Tatasen.
Auch Tobar und Aeda erhielten Kutten, ohne daß es zu
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