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Das Dampfhaus

Das Dampfhaus

Titel: Das Dampfhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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deren unterste Mauerschichten bis zum Strome hinabreichen.
    Ich sah hier eine Wiederholung der Auftritte von Gaya, nur in anderer Landschaft. An Stelle der grünen Wälder des Phalgou trat hier als Hintergrund das Bild der heiligen Stadt.
    Das Schauspiel selbst war nahezu das gleiche.
    Auch hier bedeckten Tausende von Pilgern den Uferabhang, die Terrassen und Treppen, und stürzten sich voller Andacht zu Dreien und Vieren in den Strom. Man darf aber nicht etwa glauben, daß dieses Bad unentgeltlich zu haben wäre. Wächter mit rothem Turban und den Säbel an der Seite erhoben auf den untersten Stufen der Ghäts das Eintrittsgeld im Verein mit geschäftigen Brahmanen, welche Rosenkränze, Amulette und andere fromme Bedürfnisse verkauften.
    Uebrigens drängten sich hier nicht nur Pilger, welche nur selbst zu baden gekommen waren, sondern auch Händler, deren einziges Geschäft darin bestand, heiliges, geweihtes Wasser zu schöpfen, das bis in die entlegensten Theile der Halbinsel vertrieben wird. Als Garantie ward jeder Flasche das Siegel der Brahmanen aufgedrückt. Immerhin darf man annehmen, daß hierbei Betrügereien im größten Maßstabe mit unterlaufen, denn der Export der wunderbaren Flüssigkeit hat eine gar zu beträchtliche Höhe erreicht.
    »Vielleicht, meinte Banks, genügte der ganze Inhalt des Ganges noch nicht für den Bedarf der Gläubigen!«
    Ich fragte ihn darauf, ob bei dieser »Baderei« nicht zuweilen Unfälle vorkämen, da man von Sicherheitsmaßregeln nichts bemerkte. Denn Schwimmmeister gab es z. B. hier nicht, um Unvorsichtige abzuhalten, die sich in die schnelle Strömung des Flusses verirrten.
    »Unfälle kommen häufig genug vor, antwortete mir Banks, doch, wenn der Körper des Gläubigen verloren ist, so ist wenigstens seine Seele gerettet. Deshalb macht man nicht viel Aufheben darum.
    – Und die Krokodile? forschte ich weiter.
    – Die Krokodile halten sich meist beiseite. Der Lärm im Wasser erschreckt und verscheucht sie. Diese Ungeheuer sind weit weniger zu fürchten, als die Bösewichte, welche untertauchen, unter dem Wasser hingleiten, Frauen und Kinder herabzerren und ihnen das Geschmeide rauben. Man erzählt auch von einem Schurken, der mit einem künstlichen Kopfe bedeckt, lange Zeit die Rolle eines falschen Krokodils gespielt und bei diesem einträglichen und gefährlichen Geschäfte sich ein ganz nettes Vermögen erworben haben soll. Eines Tages ward dieser Eindringling von einem wirklichen Alligator aufgefressen und man fand von ihm nichts als den Kopf von lohgarer Haut, der noch auf dem Strome hinabtrieb.«
    Außerdem giebt es auch genug überspannte Gläubige, welche freiwillig den Tod im Ganges suchen und dabei sogar mit Raffinement zu Werke gehen. Um ihren Körper befestigen sie dann z. B. einen Rosenkranz von leeren, aber unverschlossenen urnenartigen Gefäßen. Allmählich dringt das Wasser in dieselben ein und zieht sie unter dem beifälligen Jubel der andächtigen Menge langsam hinunter.
    Die Gondel hatte uns bald an die Manmenka Ghât gebracht. Hier erhoben sich die Scheiterhaufen, denen die Leichen aller Derjenigen übergeben werden, welche wegen des zukünftigen Lebens etwas in Besorgniß sind. Die Gläubigen halten viel auf die Einäscherung an dieser Stelle, und die Scheiterhaufen lodern deshalb Tag und Nacht. Aus weiter Ferne her lassen sich die reichen Babous nach Benares bringen, sobald sie sich von einer unheilbaren Krankheit ergriffen fühlen. Benares gilt ohne Zweifel für den besten Abfahrtsplatz bei »der Reise in die andere Welt«. Hat der Verstorbene sich nur verzeihliche Sünden vorzuwerfen, so geht seine Seele auf den Rauchwolken der Manmenka sofort zur ewigen Glückseligkeit ein. War er ein großer Sünder, so muß sich seine Seele dagegen erst in dem Körper eines eben gebornen Brahmanen läutern. Er darf dann hoffen, daß, wenn sein Leben während dieser zweiten Fleischwerdung ein tadelloses gewesen ist, ihm keine dritte »Avatâra« (eine dritte Menschwerdung) auferlegt wird, bevor er für immer zum Genuß der Seligkeiten in Brahma’s Himmel zugelassen wird.
    Den Rest des Tages benutzten wir zu einem Besuche der Stadt, ihrer hauptsächlichsten Bauwerke und der von düsteren Läden nach arabischer Sitte eingefaßten Bazars. Hier bringt man vorzüglich seine Mousselins zum Verkaufe, neben dem »Kinkôb«, einer Art goldbroschirten Seidenstoffs und das wichtigste Erzeugniß der Industrie von Benares. Die Straßen waren gut erhalten, aber eng, eine

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