Das Dampfhaus
vom Ufer ab, als die Sipahis ein mörderisches Feuer auf dieselben eröffneten und sie mit Kanonenkugeln und Kartätschen überschütteten. Infolge dessen sanken einige derselben, andere geriethen in Brand. Einem einzigen Fahrzeuge glückte es, wenige Meilen auf dem Strome hinabzugelangen.
Auf demselben befanden sich Lady Munro und ihre Mutter. Einen Augenblick konnten sie sich wohl für gerettet halten. Die Söldner des Nana verfolgten sie jedoch, singen sie wieder ein und schleppten alle nach den Cantonnements zurück.
Hier traf man eine Auswahl unter den Gefangenen. Die Männer wurden sofort niedergemetzelt. Die Frauen und Kinder sperrte man mit denen zusammen, die am 27. Juni dem Tode entgangen waren.
Das ergab zusammen zweihundert arme Opfer, denen ein langer Todeskampf vorbehalten war, und welche man in einem Bungalow unterbrachte, dessen Name, »Bibi-Ghar«, eine traurige Berühmtheit erlangt hat.
– Wie sind Sie aber zur Kenntniß dieser grauenhaften Einzelheiten gekommen? fragte ich Banks.
– Durch einen alten Sergeanten des 32. Regiments der königlichen Armee, antwortete mir der Ingenieur. Der Mann entkam damals wie durch ein Wunder und wurde von dem Rajah von Raïschwarah – eine der Provinzen des Königreichs Audh – ebenso wie mehrere andere Flüchtlinge, mit größter Menschenfreundlichkeit aufgenommen.
– Und was wurde aus Lady Munro und deren Mutter?
– Darüber, was später vorgegangen ist, lieber Freund, fuhr Banks fort, fehlen uns Berichte von Augenzeugen, doch läßt sich das ohne Schwierigkeit muthmaßen. Die Sipahis waren ja thatsächlich die Herren von Khanpur, wenigstens bis zum 15. Juli – neunzehn Tage – neunzehn Jahrhunderte! Die unglücklichen Gefangenen harrten von Stunde zu Stunde auf Entsatz, der leider nur zu spät eintreffen sollte.
Schon seit einiger Zeit marschirte General Havelock von Calcutta aus nach Khanpur zur Hilfe und zog daselbst, nachdem er die Aufständischen wiederholt geschlagen, am 17. Juli ein.
Zwei Tage vorher aber, als Nana Sahib vernommen, daß die königlichen Truppen den Pandon-Niddi-Fluß überschritten hatten, beschloß er, die letzten Stunden seiner Herrschaft durch einen abscheulichen Massenmord zu bezeichnen. Gegenüber den Eroberern Indiens hielt er eben Alles für erlaubt!
Einige männliche Gefangene, welche die Hast im Bibi-Ghar mit den Frauen getheilt hatten, wurden vor ihn geführt und unter seinen Augen erwürgt.
Nun blieb noch die Menge der Frauen und Kinder übrig, und darunter auch Lady Munro nebst ihrer Mutter. Eine Abtheilung des 6. Sipahi-Regiments erhielt Befehl, diese durch die Fenster des Bungalow niederzuschießen. Die Execution nahm ihren Anfang; da sie für Nana Sahib, der auf den Rückzug denken mußte, aber nicht schnell genug förderte, schickte der blutdürstige Fürst auch noch die muselmanischen Fleischer unter seine Henker… nun gab es ein Gemetzel wie im Schlachthofe!
Am nächsten Tage wurden die Frauen und die Kinder, gleichviel ob lebend oder todt, in einen benachbarten Brunnenschacht geworfen, und als Havelock’s Soldaten eintrafen, soll der bis zum Rande angefüllte Brunnen noch gedampft haben!
Jetzt nahm die Wiedervergeltung ihren Anfang. Eine gewisse Anzahl Rebellen, Helfershelfer Nana Sahib’s, waren dem General Havelock in die Hände gefallen. Dieser erließ einen schrecklichen Tagesbefehl, dessen Wortlaut ich nimmermehr vergessen werde.
Der Brunnen, welcher die Ueberreste der armen, auf Befehl Sahib’s ermordeten Frauen und Kinder enthält, wird mit Erde angefüllt und in der Form eines Grabes hergestellt. Ein von ihrem Officier commandirtes Detachement europäischer Soldaten wird heute Abend diese fromme Pflicht erfüllen. Das Haus und die Räumlichkeiten, in denen das Gemetzel stattgefunden, werden nicht durch die Landsleute der Opfer gereinigt und gewaschen. Der Brigadier will, daß jeder Tropfen unschuldigen Blutes von den Verurtheilten mit der Zunge beseitigt und vor der Vollstreckung des Todesurtheils aufgeleckt werde, jeder nach seinem Range und dem Antheil, den er bei der Mordthat gehabt hat.
Nach Verlesung des Todesurtheils wird also Jeder nach jenem Hause geführt werden, um daselbst einen Theil des Fußbodens zu säubern. Man wird Sorge tragen, die Arbeit den religiösen Empfindungen der Verurtheilten so widerlich wie möglich zu machen, und der Profoß mag die Peitsche nicht schonen, wenn das nöthig erscheint. Nach vollendeter Arbeit wird der Ausspruch des Kriegsgerichts an dem neben
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